Wo die Nacht beginnt
ein gefährliches Spiel, Matthew, bei dem du alles verlieren und kaum etwas gewinnen kannst. Gallowglass hat nach eurer Abreise eine Nachricht gesandt. Der Reiter ritt Tag und Nacht und traf darum vor euch ein. Während ihr seelenruhig durch Frankreich gereist seid, hat der König von Schottland über hundert Hexen verhaften lassen und sie in Edinburgh eingekerkert. Die Kongregation ist überzeugt, dass du auf dem Weg dorthin bist und König James überreden willst, sie nicht anzuklagen.«
»Ein Grund mehr für dich, Diana unter deinen Schutz zu stellen«, merkte Matthew angespannt an.
»Warum sollte ich?« Philippe blieb kühl und gefasst, so als wollte er die Antwort gar nicht hören.
»Weil ich sie liebe. Und weil du mir immer erklärt hast, dass dies die Aufgabe des Lazarusordens ist: jene zu beschützen, die sich nicht selbst beschützen können.«
»Ich beschütze andere Manjasang , keine Hexen!«
»Vielleicht solltest du deinen Blick erweitern«, widersprach Matthew stur. » Manjasang brauchen gewöhnlich keinen Schutz.«
»Du weißt genau, dass ich diese Frau nicht schützen kann, Matthew. Ganz Europa streitet über Glaubensfragen, und die Warmblüter suchen einen Sündenbock für ihre augenblicklichen Schwierigkeiten. Und dabei stoßen sie unausweichlich auf die Kreaturen um sie herum. Dennoch hast du wissentlich diese Frau – eine Frau mit Hexenblut, die deinen Worten zufolge deine Gemahlin ist – in diese Hölle gezerrt. Nein.« Philippe schüttelte heftig den Kopf. »Vielleicht glaubst du, du könntest dich mit blanker Frechheit aus der Affäre winden, aber ich werde keinesfalls die gesamte Familie in Gefahr bringen, indem ich den Pakt breche und damit die Kongregation herausfordere.«
»Philippe, du musst …«
»Dieses Wort sagst du nicht zu mir.« Ein Finger stach in Matthews Richtung. »Bringe deine Angelegenheiten in Ordnung, und kehre dorthin zurück, wo du hergekommen bist. Bitte mich dort um Hilfe – oder wende dich noch besser an die Tanten deiner Hexe. Trage deine Probleme nicht in die Vergangenheit, denn hier gehören sie nicht her.«
Aber im 21. Jahrhundert gab es keinen Philippe mehr, auf den Matthew sich verlassen konnte. Da war er ausgelöscht – tot und begraben.
»Ich habe dich noch nie um etwas gebeten, Philippe. Bis heute.« Die Luft im Raum kühlte sich gefährlich ab.
»Du hättest dir meine Antwort denken können, Matthaios, aber wie üblich hast du nicht gedacht. Und wenn deine Mutter hier wäre? Wenn das schlechte Wetter sie nicht in Trier festgehalten hätte? Du weißt, wie sehr sie Hexen hasst.« Philippe starrte seinen Sohn an. »Du hättest eine ganze Armee gebraucht, um sie daran zu hindern, dieser Frau Arme und Beine auszureißen, und ich habe im Moment gewiss keine Armee übrig.«
Zuerst war es Ysabeau gewesen, die mich nicht im Leben ihres Sohnes sehen wollte. Danach hatte Baldwin keinen Hehl aus seiner Abneigung gemacht. Matthews Freund Hamish misstraute mir, und Kit konnte mich nicht ausstehen. Jetzt war Philippe an der Reihe. Ich stand auf und wartete ab, bis Matthews Vater mich ansah. Als er es tat, stellte ich mich seinem Blick. Seine Augen flackerten überrascht.
»Matthew konnte das nicht vorhersehen, Monsieur de Clermont. Er verließ sich darauf, dass Ihr ihm zur Seite stehen würdet, doch er hat sich in seinem Glauben an Euch getäuscht.« Ich atmete durch, um mich zu beruhigen. »Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr mich für diese Nacht in Sept-Tour aufnehmen würdet. Matthew hat seit Wochen nicht geschlafen, und er wird das am ehesten an einem vertrauten Ort tun. Morgen werde ich nach England zurückkehren – notfalls auch ohne Matthew.«
Eine meiner neuen Locken kringelte sich mir über die linke Schläfe. Ich hob die Hand, um sie zurückzustreichen, und fand mein Handgelenk in Philippe de Clermonts Umklammerung wieder. Bis ich begriffen hatte, was passiert war, stand Matthew neben seinem Vater und hatte beide Hände auf dessen Schultern gelegt.
»Wo habt Ihr das her?« Philippe starrte auf den Ring an meinem Finger. Ysabeaus Ring . Philippes Blick begann zu lodern und suchte meine Augen. Seine Finger spannten sich um mein Handgelenk, bis mir die Knochen schmerzten. »Niemals hätte sie diesen Ring einem anderen Wesen gegeben, nicht solange wir beide leben.«
»Sie lebt, Philippe.« Matthew sprach schnell und rau, so als wollte er seinen Vater nicht beschwichtigen, sondern ihm nur die wichtigsten Informationen zukommen lassen.
»Aber wenn
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