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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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Anwesenheit zur Kenntnis genommen wurde. Schließlich hallte ein einzelnes lateinisches Wort durch das dicke Holz:
    » Introite.«
    Matthew erstarrte. Alain warf ihm einen besorgten Blick zu und drückte die Tür auf. Sie schwang lautlos auf wuchtigen, gut geölten Angeln zur Seite.
    Dahinter saß, mit dem Rücken zu uns, ein Mann mit glänzendem Haar. Selbst im Sitzen war zu erkennen, dass er groß war und breite, athletische Schultern hatte. Ein Federkiel kratzte über Papier und lieferte eine fortlaufende Sopranstimme, die sich mit dem unsteten Knacken der Holzscheite im Kamin und dem Heulen der Windböen draußen verband.
    Ein tiefer Bass rumpelte in die Musik dieses Raumes. » Sedete.«
    Diesmal erstarrte ich. Ohne die dämpfende Holztür dröhnte Philippes Stimme so laut, dass meine Ohren klingelten. Der Mann war es gewohnt, dass seine Befehle ausgeführt wurden, und zwar sofort und widerspruchslos. Meine Füße bewegten sich auf die zwei wartenden Stühle zu, damit ich mich wie befohlen setzen konnte. Erst nach drei Schritten begriff ich, dass Matthew an der Tür stehen geblieben war. Ich kehrte zurück und nahm seine Hand. Matthew sah verdattert nach unten und schüttelte dann energisch seine Erinnerungen ab.
    Gleich darauf hatten wir den Raum durchquert. Ich ließ mich auf einem Stuhl nieder, wo mich der versprochene Wein erwartete und dazu ein Fußwärmer aus durchbrochenem Metall, auf den ich meine Beine legen konnte. Alain zog sich nach einem mitfühlenden Blick und einem kurzen Nicken zurück. Dann warteten wir. Für mich war das anstrengend, für Matthew war es nicht auszuhalten. Er wirkte mit jeder Sekunde angespannter, bis ihn die unterdrückten Emotionen beinahe beben ließen.
    Als sein Vater uns endlich zur Kenntnis nahm, konnte ich meine Angst und meinen Zorn kaum noch unterdrücken. Ich starrte gerade auf meine Hände und fragte mich, ob sie wohl kräftig genug waren, um diesen Kerl zu erdrosseln, als auf meinem gesenkten Scheitel zwei eisige Punkte erblühten. Ich hob den Kopf und blickte in die hellbraunen Augen eines griechischen Gottes.
    Als ich Matthew erstmals begegnet war, hatte ich instinktiv fliehen wollen. Aber Matthew hatte – so groß und düster er mir an jenem Septemberabend in der Bodleian Library auch vorgekommen war – nicht halb so mythisch gewirkt wie sein Vater. Und das kam keineswegs daher, dass Philippe de Clermont ein Monster gewesen wäre. Ganz im Gegenteil. Er war schlicht und einfach das atemberaubendste Geschöpf, das mir je begegnet war – ob es nun natürlich, übernatürlich, dämonisch oder menschlich gewesen war.
    Niemand konnte Philippe de Clermont ansehen und glauben, dass er ein gewöhnlicher Sterblicher war. Dafür waren die Gesichtszüge des Vampirs viel zu perfekt und ebenmäßig. Gerade, dunkle Brauen ruhten über hellen, braunen Augen, die sich ständig zu verändern schienen und in denen grüne Punkte funkelten. Nach zahllosen Jahren in Sonne und Wetter leuchteten goldene, silberne und bronzefarbene Strähnen in seinem braunen Haar. Und obwohl Philippes Lippen vor Zorn zu einem harten, dünnen Strich zusammengepresst waren, konnte ich erkennen, wie weich und sinnlich sein Mund war.
    Ich presste ebenfalls die Lippen zusammen, damit mir nicht versehentlich der Mund offen stehen blieb, und stellte mich Philippes prüfendem Blick. Sobald ich das tat, wanderten seine Augen zu Matthew weiter.
    »Sprich.« Philippe klang ruhig, aber sein Zorn war unüberhörbar. Allerdings war er nicht der einzige wütende Vampir im Raum. Jetzt, nachdem Matthew den Wiedersehensschock verdaut hatte, würde er sich nicht mehr in die Enge treiben lassen.
    »Du hast mich nach Sept-Tours bestellt. Hier bin ich, quicklebendig und wohlauf, trotz der hysterischen Berichte deines Enkels.« Matthew warf die Silbermünze auf den Eichentisch seines Vaters. Sie landete auf der Kante und kreiselte über das Holz, bevor sie klappernd umfiel.
    »Bestimmt wäre es klüger gewesen, dein Weib zu dieser Jahreszeit zu Hause zu lassen.« Wie Alain sprach auch Philippe fehlerfreies Englisch.
    »Ich habe mich mit Diana verpaart, Vater. Da durfte ich sie kaum bei Henry und Walter in England lassen, nur weil es vielleicht schneien könnte.«
    »Nimm dich zusammen, Matthew«, knurrte Philippe. Sein Knurren war so löwenhaft wie die ganze Erscheinung. Die Familie der de Clermonts war überhaupt eine Menagerie von majestätischen Wildtieren. Matthew erinnerte mich immer an einen Wolf. Ysabeau an einen

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