Wo die Nacht beginnt
Lippen in mein Haar. »Was in aller Welt hat Champier nach Saint-Lucien geführt?«
»Ich«, erwiderte Philippe.
»Du hast uns an Champier verraten?«, fuhr Matthew seinen Vater an. »Er gehört zu den widerlichsten Gestalten in ganz Frankreich!«
»Ich musste mich ihrer versichern, Matthaios . Diana kennt zu viele unserer Geheimnisse. Ich musste mich überzeugen, dass wir ihr vertrauen können, selbst gegenüber ihrem eigenen Volk.« Philippe zeigte keine Reue. »Wenn es um meine Familie geht, gehe ich kein Risiko ein.«
»Und hättest du Champier Einhalt geboten, bevor er ihre Gedanken stehlen konnte?« Matthews Augen wurden mit jeder Sekunde dunkler.
»Das kommt darauf an.«
»Worauf?«, brach es aus Matthew heraus. Seine Arme schlossen sich fester um mich.
»Wäre Champier vor drei Tagen erschienen, hätte ich wohl nichts unternommen. Dann wäre das eine Angelegenheit unter Hexen gewesen, und die Bruderschaft hätte nicht damit behelligt werden müssen.«
»Du hättest meine Gefährtin leiden lassen.« Matthews Tonfall verriet, wie fassungslos er war.
»Bis gestern wäre es allein deine Verantwortung gewesen, dich für deine Gefährtin einzusetzen. Hättest du es nicht getan, hätte das bewiesen, dass du der Hexe nicht so eng verbunden bist, wie du behauptest.«
»Und heute?«, fragte ich.
Philippe betrachtete mich nachdenklich. »Heute bist du meine Tochter. Also, nein, ich hätte Champiers Attacke nicht mehr lange tatenlos zugesehen. Aber ich brauchte nichts zu unternehmen, Diana. Du hast dich selbst gerettet.«
»Hast du mich deshalb zu deiner Tochter gemacht – weil Champier kommen sollte?«, flüsterte ich.
»Nein. Du hast zusammen mit Matthew die erste Prüfung in der Kirche und die zweite in der Scheune bestanden. Der Blutschwur war nur der erste Schritt, dich zu einer de Clermont zu machen. Und nun ist der Zeitpunkt gekommen, den letzten zu vollziehen.« Philippe wandte sich um. »Hol den Priester, Alain, und verkünde im Dorf, dass sich alle am Samstag in der Kirche versammeln sollen. Milord wird eure Ehe schließen, im Angesicht Gottes und eines Priesters und des gesamten Dorfes Saint-Lucien. Diese Hochzeit wird nichts Verstohlenes an sich haben.«
»Ich habe gerade einen Mann getötet! Das ist bestimmt nicht der richtige Zeitpunkt, um über eine Hochzeit zu sprechen.«
»Unfug. Inmitten von Blutvergießen zu heiraten ist bei den de Clermonts Tradition«, sagte Philippe gut gelaunt. »Anscheinend wollen wir uns nur mit Kreaturen vereinen, die von anderen begehrt werden. Es ist ein schmutziges Geschäft.«
»Ich. Habe. Ihn. Umgebracht.« Um sicherzugehen, dass alle das begriffen, deutete ich auf den Toten.
»Alain, Pierre, bringt Monsieur Champier hinaus. Er macht Madame nervös. Alle anderen haben gewiss Besseres zu tun, als hier herumzustehen und Maulaffen feilzuhalten.« Philippe wartete ab, bis wir drei alleine waren, bevor er fortfuhr: »Sei dir über eines im Klaren, Diana: Deine Liebe zu meinem Sohn wird viele Leben kosten. Einige werden sich selbst opfern. Andere werden sterben, weil jemand sterben muss, und dir wird die Entscheidung obliegen, ob du es bist, ob sie es sind oder ob es jemand sein wird, den du liebst. Darum musst du dich fragen: Was tut es zur Sache, wer den tödlichen Streich ausführt? Wenn du es nicht tust, wird Matthew es tun. Wäre es dir lieber, wenn Champiers Tod auf seinem Gewissen lasten würde?«
»Natürlich nicht«, antwortete ich sofort.
»Auf Pierres vielleicht? Oder dem von Thomas?«
»Thomas? Der ist noch ein Junge!«, protestierte ich.
»Dieser Junge hat gelobt, sich zwischen dich und deine Feinde zu stellen. Hast du gesehen, was er in den Händen hielt? Den Blasebalg aus der Rezeptur. Wenn du Champier nicht getötet hättest, dann hätte dieser Junge ihm den Balg bei erster Gelegenheit in die Gedärme gerammt.«
»Wir sind doch keine Tiere, sondern zivilisierte Wesen«, protestierte ich. »Wir sollten in der Lage sein, miteinander zu reden und unsere Differenzen ohne Blutvergießen beizulegen.«
»Einst saß ich an einem Tisch und stritt mich drei Stunden lang mit einem Mann – einem König. Gewiss hättest du und hätten andere ihn als zivilisiertes Wesen betrachtet. Gleich nach unserem Gespräch befahl er den Tod von Tausenden Männern, Frauen und Kindern. Worte können genauso töten wie Schwerter.«
»Sie ist unsere Sitten nicht gewohnt, Philippe«, warnte Matthew ihn.
»Dann muss sie sich daran gewöhnen. Die Zeit der Diplomatie ist
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