Wo die Nacht beginnt
vorbei.« Philippe blieb immer gleich ruhig und gleich gelassen. Matthews Stimmung konnte ich mittlerweile erahnen, doch die Gefühle seines Vaters blieben mir verschlossen.
»Damit ist die Diskussion beendet. Am kommenden Samstag werdet ihr heiraten. Weil du meine Tochter bist, im Namen wie im Blut, wirst du nicht nur als gute Christin heiraten, sondern so, dass es auch meinen Ahnen und ihren Göttern zur Ehre gereicht. Dies ist deine letzte Gelegenheit, dich anders zu entscheiden, Diana. Wenn du nicht mehr sicher bist, dass du Matthew willst und das Leben – sowie den Tod –, die dich erwarten, wenn du ihn heiratest, dann werde ich dich noch heute sicher nach England zurückgeleiten.«
Matthew schob mich von sich weg. Es war nur eine Handbreit, dafür war die Geste umso symbolischer. Selbst jetzt ließ er mir die Wahl, die er selbst längst getroffen hatte. Wie ich auch.
»Willst du mich heiraten, Matthew?« Angesichts der Tatsache, dass ich eben jemanden umgebracht hatte, erschien es mir nur richtig, wenn ich um seine Hand anhielt.
Philippe hustete.
»Ja, Diana. Ich will dich heiraten. Ich habe es bereits getan, aber ich werde es liebend gerne noch einmal tun, wenn du das möchtest.«
»Ich war schon beim ersten Mal zufrieden. Diesmal heiraten wir für deinen Vater.« Es war unmöglich, länger an unsere Hochzeit zu denken, da meine Beine immer noch schlotterten und der Boden in Blut schwamm.
»Dann ist es abgemacht. Bring Diana auf ihr Zimmer. Es wäre das Beste, wenn sie dort bliebe, bis wir sicher sind, dass keine Freunde von Champier in der Nähe warten.« Auf dem Weg nach draußen hielt Philippe noch einmal inne. »Du hast eine Frau gefunden, die deiner würdig ist und die genug Mut und Hoffnung für euch beide hat, Matthaios.«
»Ich weiß«, sagte Matthew und nahm meine Hand.
»Dann sollst du auch das wissen: Du bist ihrer nicht weniger würdig. Hör auf, dein Leben zu bereuen. Lebe es endlich.«
12
D ie Hochzeit, die Philippe für uns plante, sollte drei Tage dauern. Von Freitag bis Sonntag würde jeder im Château, das gesamte Dorf sowie jeder andere im Umkreis eines Tagesrittes mit dem beschäftigt sein, was Philippe eigensinnig als »kleine Familienfeier« bezeichnete.
»Es ist schon länger her, dass wir eine Hochzeit gefeiert haben, und der Winter ist eine freudlose Jahreszeit. Wir sind es dem Dorf schuldig«, wischte Philippe unsere Einwände beiseite. Auch der Koch protestierte empört, als Matthew andeutete, dass es vielleicht nicht möglich sein werde, so kurzfristig drei Festmähler zuzubereiten, während die Nahrungsmittel in den Lagern zur Neige gingen und die Kirche Enthaltsamkeit forderte. Dann herrschte eben Krieg, und es war Advent, schnaubte der Koch. Aber das war keinesfalls ein Grund, eine Feier abzusagen.
Das ganze Haus war in Aufruhr und niemand an unserer Hilfe interessiert, und so blieben Matthew und ich uns selbst überlassen.
»Worin besteht die Hochzeitszeremonie genau?«, fragte ich, als wir vor dem Kamin in der Bibliothek lagerten. Ich trug Matthews Hochzeitsgeschenk: eines seiner Hemden, das mir bis zu den Knien reichte, und dazu seine alten langen Beinlinge. Diese strumpfähnlichen Vorläufer unserer modernen Hosen waren oben an den Innennähten aufgerissen worden, und dann hatte Matthew die beiden Beine zu etwas zusammengenäht, das entfernt an Leggings erinnerte – allerdings ohne Gummizug und elastischen Stoff. Ersterer wurde notdürftig durch einen schmalen Ledergurt ersetzt, den Matthew aus einem alten, im Stall gefundenen Stück Zaumzeug gefertigt hatte. Es war das bequemste Kleidungsstück, das ich seit Halloween getragen hatte, und Matthew, der in letzter Zeit meine Beine kaum zu sehen bekommen hatte, war hingerissen.
»Ich habe keine Ahnung, mon cœur . Ich habe noch nie einer antiken griechischen Hochzeit beigewohnt.« Matthews Finger fuhren durch meine Kniebeuge.
»Bestimmt wird der Priester Philippe nichts allzu Heidnisches erlauben. Die eigentliche Zeremonie wird gewiss katholisch bleiben müssen.«
»In dieser Familie verwenden wir die Worte ›gewiss‹ und ›Philippe‹ nur selten in einem Satz. Man irrt sich immer.« Matthew setzte einen Kuss auf meine Hüfte.
»Wenigstens findet heute Abend nur ein Festmahl statt. Das sollte ich ohne allzu große Schwierigkeiten überstehen.« Seufzend ließ ich den Kopf in die Hände sinken. »Normalerweise bezahlt der Vater des Bräutigams das Essen am Abend vor der Hochzeit. Ich nehme an, Philippe tut
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