Wo die Nelkenbaeume bluehen
ein bisschen im Haushalt helfen“, entgegnete Lena, ohne sich umzudrehen. Doch sie spürte auch so Aaliyahs forschenden Blick zwischen ihren Schulterblättern.
„Versuchen Sie nicht, mir etwas vorzuspielen. Ich merke doch, dass Sie etwas bedrückt. Aber wenn Sie nicht darüber reden möchten …“
Lena seufzte. Es war nicht so, als wäre ein guter Ratschlag ihr im Moment nicht willkommen. Aber sie schämte sich zu sehr für das, was sie getan hatte. Für das, was in ihr vorging.
Patrick hatte auch sofort gemerkt, dass etwas mit ihr nicht stimmte, als sie gestern Abend miteinander telefoniert hatten. Und er kannte sie zu gut, als dass er ihr die Beschwichtigungsversuche abgekauft hätte. Doch mit ihm konnte sie noch viel weniger über das sprechen, was ihr auf dem Herzen lag. Er war Andys bester Freund gewesen. Sie mochte gar nicht daran denken, wie er reagieren würde, wenn er von Stephen erfuhr.
Wieder einmal schien Aaliyah ihre Gedanken zu lesen. „Es ist wegen Stephen, nicht wahr? Sie mögen ihn.“ Ehe sie es verhindern konnte, hatte sich ein Laut – halb Stöhnen, halb Schluchzen – Lenas Kehle entrungen, der reichte, um Aaliyahs Annahme zu bestätigen. „Sie werden es nicht gern hören, aber ich habe das schon seit einer Weile vorausgesehen. Nur eines verstehe ich nicht.“
„Und was?“
„Warum die Sache Sie so mitnimmt.“
Lena seufzte erneut, und dieses Mal drehte sie sich auch zu Aaliyah um, sodass die andere Frau ihr in die Augen blicken konnte. „Finden Sie es denn nicht unangebracht? Wegen Andy?“
Aaliyah blinzelte überrascht. „Finden Sie das denn?“ Sie schüttelte den Kopf. „Andy war noch ziemlich jung, als seine Eltern mit ihm nach England zurückkehrten, aber er schien mir ein sehr netter und liebenswerter Junge zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich im Laufe der Jahre so verändert haben soll – vor allem, da ich ja weiß, was er Ihnen bedeutet.“ Fragend schaute sie Lena an. „Glauben Sie wirklich, er hätte gewollt, dass Sie den Rest Ihres Lebens in Trauer um ihn verbringen? Es tut mir leid, aber ich kann mir das beim besten Willen nicht vorstellen.“
„Sie glauben also, ich soll mich auf Stephen einlassen?“
„Nein“, antwortete Aaliyah. „Ich denke, dass Sie darauf hören sollten, was Ihr Herz Ihnen sagt.“ Lächelnd legte sie ihr eine Hand auf die Schulter – im selben Moment ertönte das Summen, das eine eingehende Nachricht auf Lenas Handy verkündete.
Sie nahm das Gerät aus der Hosentasche. Die Nachricht stammte von Patrick. Im ersten Moment wollte sie sie ignorieren, öffnete sie dann aber einem spontanen Impuls folgend doch.
„Das darf doch nicht …!“ Entsetzt starrte Lena auf das Telefondisplay. „Gütiger Himmel, nein!“
Alarmiert schaute Aaliyah sie an. „Ist etwas passiert?“
„Das könnte man so sagen“, entgegnete Lena mit gepresster Stimme. „Das ist eine SMS von einem Freund aus Deutschland. Er sagt, dass er herkommen will, um sich davon zu überzeugen, dass bei mir alles in Ordnung ist!“
„Aber das ist doch nett“, sagte Aaliyah. „Oder nicht?“
Doch Lena wählte bereits Patricks Nummer, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Als sich die Mailbox meldete, stöhnte sie unterdrückt auf. Sie musste um jeden Preis verhindern, dass er in den nächsten Flieger nach Sansibar stieg.
Alles war auch so schon kompliziert genug. Patrick war der letzte Mensch, den sie jetzt gebrauchen konnte!
Nach Einbruch der Dämmerung saß Lena mit den anderen am Lagerfeuer zusammen. Nachdem ihre Versuche, Patrick zu erreichen, nicht von Erfolg gekrönt gewesen waren, hatte sie sich darangemacht, ein wenig Ordnung in ihre Notizen zu bringen, die sie für Andys Buch gemacht hatte.
Dabei war sie auch die Unterlagen, die Andy ihr hinterlassen hatte, noch einmal durchgegangen und auf erstaunliche Parallelen gestoßen. Einige der Namen, die in den Rechercheergebnissen als Zeitzeugen benannt wurden, waren ihr bekannt vorgekommen, und sie hatte sie mit ihren eigenen Aufzeichnungen verglichen. Subira und Faraji Owusu waren darin immer wieder genannt worden – ebenso wie ein gewisser Jonathan Bennett und ein Mann namens Nathan Alistair.
„Du sagtest vor einer Weile, dass deine Urgroßmutter und dein Urgroßonkel entlaufene Sklaven waren“, wandte sie sich an Fathiya. „Kann es sein, dass diese Farm hier dabei irgendwie eine Rolle spielte? Und Andys Familie vielleicht auch?“
Die Augen der alten Frau fingen an zu leuchten, als man
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