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Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Titel: Wo die toten Kinder leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roxann Hill
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abwartend an.
    „Wenn Sie von der Versicherung sind“, sagte er, „ gehören Sie aber zu der ganz schnellen Truppe.“ Er drückte auf den Summer und öffnete mir die Tür.
    Ich ging hinein.
    Ein Verwaltungsmitarbeiter wartete vor einem der Büros. Er schien ungeduldig zu sein. „Es ist allerhand zerstört worden, aber das habe ich Ihnen bereits am Telefon gesagt.“ Er ging ein paar Schritte vor mir her, bis wir in einen Raum kamen, in dem sich mehrere Aktenschränke befanden. Auf Tischen standen Computer, weitere PC’s waren anscheinend heruntergestoßen worden. Sie lagen herum, die Bildschirme zerbrochen, die Gehäuse aufgeplatzt und verbeult.
    „Da hat sich aber jemand ausgetobt“, bemerkte ich.
    „Ja“, erwiderte der Verwaltungsmensch. „Das ist eine vollkommen sinnlose Zerstörung. Die Einbrecher sind gewaltsam eingedrungen und haben hier alles verwüstet.“
    „Die reinsten Vandalen“, gab ich ihm recht. „Haben Sie denn keinen Sicherheitsdienst?“
    „Dieser Bereich wird nachts nicht extra kontrolliert. Wir haben Wachen bei den gefährlichen Insassen. Aber hier? Hier gibt es nichts zu holen. Die Geräte sind alt, es handelt sich um ausrangierte Ware, die wir als Spende von einer Softwarefirma erhalten haben.“
    Weiter hinten sah ich einen Aktenschrank. Er war aufgebrochen, ein paar Leitz-Ordner lagen achtlos auf dem Boden, halb geöffnet, mit herausquellenden Papieren. Der Mitarbeiter folgte meinem Blick „Ja, auch die Unterlagen haben sie völlig durcheinandergebracht. Es wird Wochen dauern, bis wir die wieder geordnet haben. Unsere Azubis werden sich freuen.“
    „Was heben Sie da eigentlich auf?“, fragte ich und deutete auf das Durcheinander.
    „Diese Papiere?“ Er ging hinüber und schaute hinein. „Ach, das sind Akten über Selbstmörder.“
    „Sie führen Akten über Selbstmörder?“ Mein Puls beschleunigte, während ich ein möglichst unbedarftes Gesicht aufsetzte.
    „Ja. Wenn jemand erfolglos versucht, Suizid zu begehen, kommt er für eine Weile zu uns, bis wir sicher sind, dass er seine Krise überwunden hat. Und über den Aufenthalt wird eine Akte angelegt, die irgendwann hier in der Registratur landet.“
    „Können Sie feststellen, ob etwas fehlt?“
    Noch bevor der Verwaltungsmitarbeiter antworten konnte, hörte ich eine Männerstimme, die vom Eingang kam: „Warum interessiert Sie, ob hier Akten fehlen?“
    Ich drehte mich um. Ein Mann stand in der Tür. Er trug einen Arztkittel und hatte fast keine Haare mehr auf dem Kopf. Seine dunklen Augen stierten mich über den Rand einer modernen Brille hinweg an.
    „Warum erkundigen Sie sich nach fehlenden Akten?“, wiederholte er. „Es handelt sich doch um einen ganz klaren Versicherungsfall, oder?“
    „Wir müssen genau feststellen, was hier passiert ist. Wenn es der Einbrecher auf Akten abgesehen hat, dann ist das andere nur ein Begleitschaden. Das ist anders zu werten“, erklärte ich im Brustton der Überzeugung.
    „Das ist versicherungstechnisch relevant?“, hakte der Arzt ungläubig nach.
    „Das ist es in der Tat“, antwortete ich mit wichtiger Miene. „Sie können das in der Versicherungspolice nachlesen.“
    „Na gut“, sagte er nach kurzem Zögern, „ wenn dem so ist… Ich habe vorhin schon in den Schrank hineingesehen. Es scheint alles da zu sein, bis auf die letzten fünf Jahre.“
    „Sie meinen, alle Berichte über Suizidversuche der letzten fünf Jahre sind gestohlen worden?“
    „Exakt. Und ich kann mich nur wundern.“
    „Wieso? Können diese Unterlagen denn nicht benutzt werden, um z.B. jemanden zu erpressen?“
    „Das ist bei diesen Berichten nicht möglich. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes sind alle relevanten Angaben, die Rückschlüsse auf den jeweiligen Patienten erlauben würden, codiert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemanden interessieren kann, was wir hier archiviert haben.“
    „Aber irgendetwas muss es geben, sonst wären die Unterlagen noch da“, beharrte ich.
    „Die Berichte enthalten die Krankenakte und die Unterlagen zur Medikation. Wir heften ab, unter welchen Umständen der Suizid versucht wurde. Manchmal sind auch Fotos beigefügt.“
    „Sie halten in Bildern fest, mit welchen Mitteln jemand versucht, sich umzubringen?“
    „Selbstverständlich. Methoden und Verletzungen, das ist die einfachste Art der Kategorisierung.“
    „Und was ist die häufigste Art der Selbsttötung? – Ich frage nur aus Interesse.“
    „Mit Tabletten, ganz

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