Wo die toten Kinder leben (German Edition)
Leuten umzugehen, als wir es in der Vergangenheit getan haben.“
„Und insgesamt wäre dann auch Ihr Image in der Öffentlichkeit nicht derartig angekratzt.“
Wagner seufzte. „Das ist zwar nicht mein Hauptaugenmerk - aber: sicher. Wenn wir selbst die Kraft hätten, uns von Personen zu trennen, die von ihrer moralischen und seelischen Befindlichkeit nicht zu uns passen… - ja ich denke schon, dass das insgesamt für unsere Glaubwürdigkeit und für die Fortführung unserer Arbeit sinnvoll wäre.“
„Bei diesen Selbstmorden: Sie befürchten wieder einen solchen Hintergrund, habe ich recht? Sie vermuten, dass jemand aus Ihren Reihen dafür verantwortlich ist. Habe ich Sie da richtig verstanden?“
„Alle, die in den vergangenen Jahren auf diese Art und Weise aus dem Leben geschieden sind, gehörten zu meiner Diözese. Das kann doch kein Zufall sein.“
Ich horchte auf. „Was meinen Sie mit in den vergangenen Jahren ?“
Wagner nippte geistesabwesend an seinem Scotch. „Cornelia und Bernhard waren nicht die ersten, die auf solch grausame Art gestorben sind. Vor Ihnen gab es mindestens zwei weitere. Doch diese beiden früheren Suizide liegen bereits mehrere Jahre zurück. Wir sind erst durch Cornelia quasi zufällig auf die Gemeinsamkeiten gestoßen. Leider gibt es zu diesen ersten Selbstmorden so gut wie keine Unterlagen – weder bei uns, noch bei der Polizei.“
„Das war der Grund, warum Sie mich engagiert haben?“
Wagner mied meinen Blick. „Ja. Wir fühlten uns in diesem Moment überfordert. Und ohne handfeste Beweise können wir auch schlecht irgendetwas unternehmen. Wir haben momentan nicht einmal einen Verdacht. Aber wir wollen auf alle Fälle weitere Suizide verhindern und der Sache ein Ende setzen.“
„Selbstmörder, die überleben, werden im Bezirkskrankenhaus behandelt. Vielleicht gibt es dort Unterlagen über ähnliche gescheiterte Suizide. Haben Sie daran gedacht?“
Wagner schüttelte den Kopf, bevor er mit den Schultern zuckte. „Nein. Wir sind in diesen Dingen vollkommen unerfahren. Deshalb brauchen wir Sie auch so dringend.“
Ich nickte bedächtig. „Gleich morgen früh werde ich mich mit dem Bezirkskrankenhaus kurzschließen. Vielleicht finde ich da etwas heraus.“ Ich überlegte. Ein Gedanke drängte sich mir auf. „Darf ich die Fotos von Cornelia und dem Tatort noch einmal sehen?“
Wagner stand auf und kam mit einem dicken Ordner zurück.Er legte ihn auf den Tisch und blätterte darin. Neben einigen persönlichen Notizen zu Namen, Adressen und Hintergründen der Verstorbenen befanden sich dort auch die Bilder, die ich schon einmal betrachtet hatte.
„Ist Ihnen etwas aufgefallen?“, fragte er.
Ich zog die Fotos aus der Klarsichthülle. „Wie man es nimmt. Die Todesart unterscheidet sich, aber die anderen Verletzungen sind bei Bernhard nahezu identisch.“
„Das haben wir selbstverständlich auch bereits bemerkt. So war es wohl auch bei den ersten beiden Suiziden.“
„Es ist unwahrscheinlich, dass sich zwei oder gar vier Personen unabhängig voneinander auf solch ungewöhnliche Art verletzen. Das ist nahezu unmöglich“, sagte ich. „Es sieht aus, …nein, es ist so, als hätten sich Cornelia und Bernhard absichtlich und geplant fast schon selbst gefoltert. Dafür muss es einen Grund geben. Wir müssen etwas übersehen.“
„Aber welches Motiv könnte das sein?“ Wagner starrte auf die Bilder, doch ich merkte, dass er mit seinen Gedanken woanders war. Dann wanderte sein Blick zu mir „Es ist an der Zeit, dass wir zu Satorius gehen.“
„Satorius? Wer ist das?“
„Er ist Professor an der hiesigen Universität. Besser gesagt, er ist Professor gewesen, er ist emeritiert. Er ist ein Fachmann für – na, sagen wir einmal – menschliches Verhalten. Und ich weiß, er kennt sich auch mit Folter aus.“
„Gut“, sagte ich, „dann wäre es wohl das Beste, wir würden diesen Herrn Satorius einmal aufsuchen. Rufen Sie ihn an?“
„Das wird nicht nötig sein. …Was halten Sie davon, wenn wir uns morgen Nachmittag bei ihm treffen?“
„Das geht so einfach?“
„Ich regle das. Das ist kein Problem.“
„Und was ist mit diesen zwei Kerlen von heute Abend? Die wollten nicht, dass wir die Fälle untersuchen und weitere Nachforschungen betreiben.“
„Das kann ich überhaupt noch nicht einordnen“, meinte Wagner. „Als ich Bernhards Appartement betrat, wusste ich sofort, dass es durchsucht worden war. Aber was man hätte finden können, ist mir ein
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