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Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Titel: Wo die toten Kinder leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roxann Hill
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„Wo ist er?“
    „Er trainiert unsere Jugendmannschaft. Er ist draußen am Fußballplatz. Sie müssen wissen, wir haben Saison und Ludwig…“ Er brach ab, presste beide Hände zusammen und sagte kein Wort.
    „Hatten Sie einen Verdacht?“
    Der gesenkte Kopf vor mir bewegte sich verneinend.
    „Wenn Sie zurückblicken, hätten Sie das vermuten können?“, hakte ich nach. „Hätte es Anhaltspunkte gegeben?“
    Der Mann sah auf, seine Augen waren mittlerweile blutunterlaufen. „Er ist beliebt in unserer Gemeinde. Er ist beliebt bei den Kindern. Alle mögen ihn. Und sie schätzen ihn. Manchmal ist er vielleicht ein wenig streng. Aber so etwas! So ein Dreck! “ Er nahm das oberste Bild und zerriss es in zahllose kleine Fetzen.
    „Das nützt nichts“, kommentierte ich seine Aktion. „Die Verbrechen sind geschehen, die lassen sich nicht rückgängig machen.“
    Paul erhob sich. „Sie haben gesagt, er ist am Sportplatz?“
    „Ja.“
    „Wie kommen wir dahin?“
    „Sie gehen einfach die Straße entlang und dann die zweite rechts. Und wenn es nicht mehr weitergeht, auf der linken Seite – dort ist der Platz. Sie können ihn nicht verfehlen, die Flutlichtanlage ist an.“
    Auch ich stand auf. Wir wandten uns zum Gehen.
    „Das ist alles diese verfluchte Zeit!“, flüsterte der Pfarrer. „Früher hätte kein Mensch je daran gedacht, Kindern etwas anzutun. Aber dieses Internet. Überall ist man diesen Gefahren ausgesetzt. Überall sieht man, was man tun kann. Es gibt keinerlei Grenzen mehr!“
    „Nur die Grenzen, die man sich selbst setzt“, sagte Paul und seine Stimme klirrte wie Eis.
    Die blicklosen Augen des Pfarrers verfolgten uns, bis wir aus seinem Sichtfeld verschwanden. Er stand nicht auf, um uns hinauszubegleiten. Er blieb einfach hinter seinem Tisch sitzen, die Ellenbogen auf der Platte aufgestützt, das blanke Entsetzen auf seinem Gesicht.
    Draußen empfing uns eine kalte Nacht. Sie roch nach modrigem Laub. Hie und da lagen abgestorbene Blätter auf dem Weg.
    Wir fanden den Sportplatz nach wenigen Minuten. Bereits in einiger Entfernung konnten wir die Rufe hören, sowie das laute Bolzen, wenn die Fußballspieler den Ball trafen. In der Gegend war es ansonsten sehr still. Ich vernahm das Geräusch eines startenden Motors und dann einen abfahrenden Wagen.
    Als wir ankamen, stürmten ein Teil der jugendlichen Fußballspieler gerade eines der Tore. Der Ball ging ins Aus. Es gab einen Einwurf.
    Vom Rand des Platzes beobachteten wir die Spieler.
    „Welcher davon ist der Kaplan?“, fragte ich.
    Paul holte das Foto heraus und verglich es mit den Gesichtern. Schließlich hob er seine Hand und winkte einen der Fußballer zu sich. „Kaplan Ludwig Wittgen, wo finden wir den?“
    Der Spieler zuckte mit den Schultern. „Der hat vor ein paar Minuten einen Anruf bekommen. Schien dringend zu sein. Er musste weg und ist sofort gefahren.“

19
     
    U ns blieb nichts anderes übrig, als uns unverrichteter Dinge auf den Weg zurück zum Wagen zu machen. Pauls Smartphone klingelte dumpf durch den Stoff seines Mantels. Er griff hinein. Es dauerte, bis er das Handy fand. Er meldete sich mit seinem Namen. Wie ich es von ihm bereits gewohnt war, blieb er danach erst einmal still und hörte zu.
    „Wiederholen Sie bitte die Adresse?“, sagte er nach einer Weile. Dabei machte er mir ein Zeichen.
    Ich holte meinen Notizblock und Stift aus der Jacke und schrieb die Angaben auf, die er wiederholte.
    „Natürlich bin ich interessiert“, sprach er weiter. „ ...Ich komme sofort, aber ich komme nicht alleine. Frau Steinbach, die in der Sache mit mir ermittelt, begleitet mich.“
    Er beendete das Gespräch, behielt sein iPhone in der Hand und verharrte einen Moment unbeweglich.
    „Was gibt’s?“, fragte ich.
    „Das war ein Freund von Bernhard.“
    „Ein Freund.“
    „Das hat er zumindest gesagt. Er hat mitbekommen, dass wir in Bernhards Wohnung waren und er meinte, er habe Informationen für uns.“
    „Informationen.“
    Paul verzog unwirsch seinen Mund. „Hör auf mit diesen Wiederholungen, Anne. Ich weiß, wie das alles klingt. Aber er meinte, er wüsste, warum Bernhard aus dem Leben geschieden ist. Das können wir nicht einfach ignorieren.“
    Ich blieb still.
    „Er möchte sich mit uns treffen“, fuhr Paul fort, ohne weiter auf meine Zweifel einzugehen.
    Ich hob das Notizbuch hoch und deutete auf mein Gekritzel. „Bei der Adresse?“
    „Genau dort. Er will uns sehen und uns alles erzählen, was er

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