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Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Titel: Wo die toten Kinder leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roxann Hill
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der Bluse, wickelte den Stoff um mich und stopfte die Enden in den Hosenbund.
    Pauls Kopf war nach vorne gesunken. Die Waffe hielt er zwar noch immer fest, aber er hatte das Bewusstsein verloren.
    Ich schaute mich in der Halle um – sie war so gut wie ausgeräumt, bis auf einen alten abgewetzten Schreibtisch und ein paar verdreckte Plastikstühle. Überall lag Staub. Offensichtlich war seit Jahren niemand mehr hier gewesen.
    Ich entdeckte einige leere Blumenübertöpfe am Fenster, schnappte mir einen davon und probierte den Wasserhahn in der Ecke des Raums. Das Porzellanbecken selbst war zwar schmutzig, vergilbt und an mehreren Stellen gesprungen, aber das Wasser war nicht abgestellt. Nach einer Weile wechselte es von einem hässlichen Rostbraun hin zu einem normalen durchsichtigen Strahl.
    Ich spülte den Behälter sorgfältig aus, füllte ihn, und ging zu Paul zurück. Ich tauchte die Hände in das Gefäß und begann, ihm das Blut vom Gesicht zu waschen. Er kam zu sich, wollte mich im Affekt wegdrängen. Dabei hob er die Waffe an.
    „Nein!“, sagte ich, „Sie sind weg.“
    Ein erleichtertes Seufzen drang über seine Lippen und dann stöhnte er. Seine Schmerzen schienen mehr als nur heftig zu sein.
    „Wie geht es dir?“, sagte er leicht undeutlich.
    „Mit mir ist alles in Ordnung“, erwiderte ich.
    „Haben sie dich…“, er sprach nicht weiter.
    „Vergewaltigt? …Nein, aber es hat nicht viel gefehlt. Wenn du nicht gekommen wärst…“
    „Wieso hast du das getan?“
    „Was?“, fragte ich.
    „Verdammt, Anne! Wieso hast du sie auf dich gehetzt? Du wusstest, was dann passieren würde. Wieso hast du dein Leben riskiert? Wenn dir etwas geschehen wäre… Du hast sie ja regelrecht dazu aufgefordert.“
    „Sollte ich sie dich umbringen lassen?“, schnaubte ich. „Und jetzt sei still.“
    Paul verstummte. Er atmete keuchend und unregelmäßig, während ich weiter damit beschäftigt war, sein Gesicht vom Blut zu säubern.
    „Wir müssen dich zu einem Arzt bringen.“
    Paul schüttelte den Kopf. „Auf keinen Fall.“
    „Doch! Das können wir jetzt nicht mehr vertuschen. Falls du innere Blutungen hast, stirbst du ohne ärztliche Behandlung innerhalb der nächsten paar Stunden. Das kann man von außen nicht sehen. Deine Schmerzen…“
    Wieder schüttelte Paul den Kopf. „Keinen Arzt.“
    „Du bist der sturste Typ den man sich vorstellen kann!“
    Paul versuchte zu lächeln. Als er dabei tiefer einatmete, zuckte er zurück und stöhnte auf.
    „Ich habe in meiner Tasche ein Klappmesser“, meinte ich mit Blick auf meine Jacke. „Wenn du mir die Fesseln aufschneidest, kommen wir besser voran.“
    Paul griff in meine Jacke, fand das Messer und gab es mir. Mit der anderen Hand hielt er währenddessen meine Pistole nach wie vor auf den Eingang gerichtet.
    Ich betätigte den Mechanismus und das Messer sprang auf.
    Mit seiner Linken säbelte mir Paul die Fesseln durch, ohne seinen Blick längere Zeit von der Eingangstür abzuwenden.
    Als er damit fertig war, nahm ich meine Waffe an mich, erhob mich und schlich geduckt hinaus auf die Rampe. Von unseren Angreifern war niemand mehr zu sehen.
    Ich kehrte zu Paul zurück, der im Begriff war, sich hochzustemmen. Doch er schaffte es nicht. Diesmal konnte er sogar einen keuchenden Aufschrei nicht unterdrücken.
    Ich beugte mich über ihn. „Wir müssen wirklich zu einem Arzt. Das geht so nicht. Das ist reiner Wahnsinn.“
    „Nein“, flüsterte er. „Keine Klinik, keine Öffentlichkeit.“
    „Aber jemand muss dich untersuchen!“
    „Satorius, der Prof…“, kam seine gepresste Antwort. „Er ist unter anderem Doktor der Medizin.“
    „Das mag schon sein. Aber hat er rein zufällig unter anderem auch ein Röntgengerät und ein Ultraschall bei sich in seinem Gewächshaus stehen?“
    Paul blickte mich trotzig an. „Wir fahren zum Prof. Er kann auf alle Fälle feststellen, ob ich behandelt werden muss, oder ob er das alleine schafft.“
    Wieder versuchte er, sich aufzurichten. Ich griff unter seine Achseln und hievte ihn hoch. Sein Arm ruhte auf meinen Schultern. Er wog mehr, als ich gedacht hatte.
    Vorsichtig setzten wir Schritt für Schritt, bis wir hinaus auf die Rampe gelangten. Das schwierigste Stück kam jetzt. Ich hielt ihn fest, während wir gemeinsam die Schräge überwanden.
    Den Golf hatten wir relativ schnell erreicht. Paul lehnte sich mit dem Rücken gegen das Auto. Er schnaufte heftig, so als hätte er einen Marathonlauf hinter sich. Frisches Blut

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