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Wo die verlorenen Seelen wohnen

Wo die verlorenen Seelen wohnen

Titel: Wo die verlorenen Seelen wohnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dermot Bolger
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etwas Ordentliches auf die Beine zu stellen, damit sie mit mir zufrieden war. Als Ausgleich für die vielen mühevollen Jahre, in denen sie mich allein großgezogen hatte. Shane konnte leicht daherreden, von wegen ich würde Musik machen und er würde mein Manager werden und Konzerte in Städten organisieren, von denen ich bisher kaum den Namen gehört hatte. In jeder Familie gibt es nur Platz für einen Träumer und Dad hatte schon genug Träume für uns alle ausgelebt. Musik war meine große Leidenschaft, aber wenn es so weit war, würde ich irgendwas mit Betriebswirtschaft studieren, um später einen Beruf mit einem regelmäßigen Einkommen zu haben. Das war das Mindeste, was ich Mum schuldete. Ich setzte mich an meine Hausaufgaben. Ich würde Bongo Drums sagen, dass ich die Demotapes nicht hören wollte. Dann würde Dad für mich auch weiter der geniale Musiker bleiben, der zu Recht für seinen Traum gelebt hatte.
    Als ich das Shane am Freitagvormittag sagte, wurde er wütend und nannte mich einen Feigling. Doch ich misstraute ihm und seinen Motiven immer mehr. Ich schickte Geraldine mehrere SMS , auf die sie nicht reagierte, aber schließlich erwischte ich sie für ein paar Augenblicke auf dem Korridor. Shane war noch im Klassenzimmer aufgehalten worden.
    »Wir müssen uns unbedingt allein treffen«, sagte ich. »Nur fünf Minuten, egal wo.«
    Geraldine blickte über meine Schulter. »Dein Schatten verfolgt dich. Wir sind nie allein, Joey. Ich hab das Gefühl, da in etwas hineingezogen zu werden, das ich nicht begreife. Ich fühle mich ständig beobachtet.«
    Ich verfluchte Shane innerlich, der gerade auf uns zukam.
    »Vielleicht war es gar nicht Shane«, flüsterte ich.
    »Wie kommst du denn darauf?«
    Bevor ich antworten konnte, war Shane schon bei uns. Geraldine presste die Bücher an die Brust und ging hastig davon. Shane stieß mich mit der Schulter an.
    »Und – läuft da was?«, fragte er. »Habt ihr ein Date ausgemacht?«
    »Kümmer dich um deine eigenen Sachen, Shane, und halt dich da gefälligst raus!«
    Er lachte. »Beruhige dich, Joey. Wahre Liebe ist nie ein Zuckerschlecken. Ich sag damit ja nur, dass ich an deiner Stelle das Mädchen nicht von der Bettkante stoßen würde.«
    Shane grinste mich an und er grinste so lange weiter, bis er mir auch ein halbherziges Lächeln entlockt hatte. Ich hatte auf ihn und seine Faxen im Moment wirklich keine Lust, aber es war schwer, lange sauer auf ihn zu bleiben, weil er seine Persönlichkeit so schnell wie einen Handschuh wechseln konnte. Außerdem begann ich zu spüren, welche Verzweiflung und Einsamkeit er hinter seiner grinsenden Fassade verbarg. Vielleicht hatte Geraldine ja doch unrecht und man brauchte vor ihm keine Angst zu haben. Vielleicht war es ja der alte Mann aus der Castledawson Avenue, der mit uns ein übles Spiel trieb. Ich musste das unbedingt herausfinden. Ich musste ihn treffen.

F ÜNFUNDDREIßIGSTES K APITEL
    J OEY
    N OVEMBER 2009
    A m Freitagabend sagte ich zu Mum, dass ich wie üblich noch meine Runde drehen würde. Tatsächlich aber überquerte ich die Rock Road und eilte hastig die Castledawson Avenue entlang zu dem Haus, in dem Thomas McCormack angeblich wohnte. Die Fenster waren alle dunkel. Das Haus wirkte verlassen. Ich betätigte den Türklopfer, doch im Innern war nichts zu hören, deshalb ging ich ein paar Schritte weiter, kletterte auf die Mauer, stand kurz im Lichtschein der hell erleuchteten Blackrock Klinik und sprang dann in die Finsternis des Gartens hinunter. Ich kämpfte mich durch die Büsche zur Küche. Meine Unterarme waren zerkratzt, als ich es bis zur Hintertür geschafft hatte, wo ich den Schlüssel fand, wie Thomas es mir gesagt hatte.
    Ich öffnete die Tür und betrat die Küche. Hier hatten also Shane und Geraldine vor zwei Jahren gestanden. Ich konnte die Umrisse einer Treppe erkennen und duckte mich unter dicken Spinnweben hindurch, um zu ihr zu kommen. Teile des Geländers fehlten, als hätte jemand mit aller Wucht dagegen getreten. Durch ein schmales Oberlicht über der Haustür fiel etwas vom Lichtschein der Straßenlampe ins Innere. Ich kam in ein Hinterzimmer, dessen Kamin herausgerissen war. EineMatratze lag auf dem Boden, mitsamt Decken. Auf einem Tisch stand eine Tasse, daneben lag ein Laib Brot. Ich fühlte mich beobachtet und drehte mich um. Hinter mir stand der alte Mann.
    »Hat dich die Neugierde hergetrieben oder hat er dich geschickt, damit du für ihn die Drecksarbeit erledigst?«
    »Keiner

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