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Wo du nicht bist, kann ich nicht sein

Wo du nicht bist, kann ich nicht sein

Titel: Wo du nicht bist, kann ich nicht sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Blaxill
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halten können, nachts durch eine Stadt zu laufen, die ich nicht kannte? Hastig machte ich mich auf den Weg zurück, den ich gekommen war, in Richtung U-Bahnhof. Mein Herz schlug immer schneller.
    Die Station war geschlossen.
    Ich guckte auf das Absperrgitter und mir wurde schlecht. Die letzte Bahn war weg. Das hieß, dass auch die anderen Züge nicht mehr fuhren.
    Plötzlich wollte ich nur noch nach Hause.
    Mein erster Gedanke war, Ros anzurufen. Aber als ich mein Handy rausholte, war es tot. Der Akku war ziemlich leer gewesen, als ich losgefahren war, fiel mir ein. Irgendwo würde ich schon eine Telefonzelle finden, aber ich wusste Ros’ Telefonnummer nicht auswendig – und wahrscheinlich schlief sie sowieso schon. Eine Sekunde lang überlegte ich, ob ich zu Hause anrufen sollte, aber Mum und Dad würden an die Decke gehen, wenn sie wüssten, dass ich um diese Zeit draußen unterwegs war. Ich war auf mich gestellt.
    Wo sollte ich hin? Es gab einige Pubs und Bars, die geöffnet waren, aber die waren voll von den Leuten, denen ich aus dem Weg gehen wollte. Bahnhöfe? Liverpool Street wäre wohl offen, auch wenn keine Züge mehr fuhren, und da war ich wenigstens am richtigen Ort, um nach Hause zu kommen, sobald der Betrieb wieder losging. Vielleicht konnte ich ja einen Nachtbus dahin nehmen. Von denen war Freya ganz begeistert, sie hatte erzählt, wie fantastisch es war, dass man in London zu jeder Zeit überall hinkommen konnte. Ich drehte mich um und wollte mir den U-Bahn-Plan ansehen, als ich merkte, dass der Busfahrplan direkt daneben hing.
    Obwohl ich nur wegwollte, studierte ich den Plan gründlich. Ein Bus schien dahin zu fahren, wohin ich musste, also machte ich mich auf die Suche nach der Haltestelle und bemühte mich, dabei so selbstbewusst wie möglich auszusehen. Nach endlos langen fünfzehn Minuten kam der Bus. Ich dachte, der Fahrer würde mich komisch angucken, als ich einstieg, aber er sagte nichts. Ich setzte mich so weit wie möglich nach vorne, weil ich vom Oberdeck Lärm hörte und mich in der Nähe des Fahrers sicherer fühlte.
    Liverpool Street konnte man unmöglich verfehlen, aber auch vor dem Eingang dieser Station war das Gitter heruntergelassen. Ich ging hin und rüttelte dran, obwohl ich wusste, dass es keinen Sinn hatte. War ich blöd! Wie hatte ich nur denken können, dass der Bahnhof noch offen war? Wahrscheinlich mussten sie ihn wegen Reinigungsarbeiten schließen, ich konnte vage das Summen einer Kehrmaschine hören.
    Bleib ruhig, sagte ich mir, obwohl ich einem Panikanfall nie näher gewesen war. Ich ging am Bahnhofsgebäude entlang, weil ich nachsehen wollte, ob ich vielleicht durch einen anderen Eingang reinkommen konnte. Alle waren geschlossen, aber neben einem war ein 24-Stunden-McDonald’s.
    Erleichterung durchströmte mich, als ich hineinging und den vertrauten Geruch von Burgern und Fritten roch. Ich fürchtete, ich könnte Aufmerksamkeit erregen, aber der gelangweilt wirkende Angestellte am Tresen reichte mir wortlos einen heißen Kakao und einen Cheeseburger. Ich ging hoch in den ersten Stock. Dort stocherten ein paar abgerissene Typen in ihrem Fastfood, sonst war es menschenleer. Ich achtete darauf, mich so weit wie möglich von allen anderen wegzusetzen. Mein Burger war matschig, aber ich hatte solchen Hunger, dass es mir egal war. Ein paar Bissen – und er war weg. Ich legte beide Hände um meinen Kakaobecher und spürte, wie wieder Wärme in meine Hände zurückkam.
    Müde lehnte ich den Kopf gegen die Wand. Es schien ein Menschenleben her zu sein, dass ich in Freyas Zimmer gewesen war und sie angeschrien hatte. Aber als ich in Gedanken ein Jahr zurückging und wieder all die Dinge vor mir sah, die wir zusammen gemacht hatten, und daran, wie Freya mich immer angesehen hatte, wusste ich, dass die Zeit in Wirklichkeit viel zu schnell vergangen war.
    Mir kam es vor, als hätte ich ewig im McDonald’s gesessen. Ein paar Leute kamen und gingen; ihre Klamotten ließen darauf schließen, dass sie aus Clubs oder Bars kamen. Gegen halb vier, als ich langsam einnickte, fing eine Frau an, die Tische sauber zu machen.
    Â»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie, als sie zu meinem Tisch kam.
    Sie war schon älter, irgendetwas an ihr erinnerte mich an Mum. Schnell sagte ich: »Ja, alles gut.«
    Â»Und du hast dich nicht verirrt oder so? Du scheinst mir ein

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