Wo du nicht bist, kann ich nicht sein
atemberaubend leidenschaftliche Romanze, wie du sie jetzt hinstellst â echt nicht.«
»Ich habe das aber so gesehen.«
»Die Platte hat einen Sprung, Jonathan!«, rief Freya und hielt sich die Ohren zu. »Ich will doch bloà ein bisschen leben! Und du musst kapieren, dass eine Beziehung Spaà machen sollte. Da geht es nicht um Leben und Tod.«
Mir war es total egal, wie laut ich jetzt schrie. »Vielleicht ja doch, denn im Augenblick will ich einfach nur losgehen und mich umbringen!«
Freya erstarrte, dann richtete sie sich kerzengerade auf. »Dazu hättest du nicht den Mumm.«
»Wartâs ab. Ich werf mich vor den Zug. Und du bist daran schuld.«
»WeiÃt du, was du bist, Jonathan? Total unreif.« Freya zeigte in Richtung Tür. »Diesen Scheià muss ich mir nicht anhören. Ich will, dass du gehst, sofort. Mach schon, raus hier!«
»WeiÃt du, was du bist, Freya? Eine herzlose, egoistische und hinterhältige Zicke.«
»Raus!«
Ich riss die Tür so ruckartig auf, dass Freyas lauschende Freunde schnell einen Satz zurück machen mussten. Als ich nach unten stakste, hörte ich Freya schreien: »Lasst mich jetzt alle in Ruhe!« Dann knallte sie ihre Tür so heftig zu, dass die Deckenlampe in der Diele flackerte.
Was genau als Nächstes passierte, liegt ein bisschen im Nebel. Die Wut überwältigte mich und ich verlor jegliches Zeitgefühl. Ich weià noch, dass ich gerannt bin, aber viel mehr auch nicht. Mir kam es so vor, als würde ich vor Wut lodern, Wut auf Freya, wegen all dem, was sie gesagt hatte, aber auch Wut auf mich selbst, weil ich meine Gefühle nicht deutlicher gemacht hatte. Als ich endlich wieder ein bisschen runtergekühlt war, stellte ich fest, dass ich am Fluss war, ganz in der Nähe von Tante Phils Haus. Ich blieb unter einer Brücke stehen und setzte mich mit dem Rücken an der Wand auf den Boden. Da blieb ich sitzen.
Freya hatte tatsächlich mit mir Schluss gemacht, und ich kapierte nicht, warum. Einen echten Grund hatte sie nicht gehabt, es war nicht etwa so, dass ein Typ, den sie lieber mochte, auf der Bildfläche aufgetaucht war. Ich kam mir vor, als wären wir zu Schauspielern in einem schrecklichen Theaterstück geworden.
Ich holte mein Handy raus. Mein Leben ist ScheiÃe , schrieb ich an Ros. Könnte auch gleich Schluss machen.
Mein Körper wurde allmählich taub, also zog ich weiter. Bis ich die U-Bahn erreichte, war meine Wut in Entsetzen umgeschlagen. Was in aller Welt sollte ich ohne sie machen? Freya war ein Teil von mir. Ich hatte das Foto von uns beim Oster-Musical an der Wand hängen. Immer wenn es mir schlecht ging, munterte es mich auf, weil es bewies, dass ich kein Loser war. Unter allen Jungs der Schule hatte sie mich ausgewählt. Unsere Namen klangen gut zusammen, wir sahen gut aus zusammen, wir waren gut zusammen. Sogar meine Eltern sagten das â oh Gott, Mum und Dad! Sie würden am Boden zerstört sein, sie mochten Freya so sehr.
In Earls Court stieg ich aus, hier konnte ich in die blaue Linie umsteigen. Mit der kam ich zum Leicester Square, ins Herz von London, wo Leute waren und Lokale, die rund um die Uhr geöffnet hatten. Meine Eltern würden es nicht erfahren, sie dachten, ich wäre bei Freya. Mein Schmerz war zu groÃ, um ihnen jetzt gegenüberzutreten.
Rosalind
22.30 Uhr
Mein Leben ist ScheiÃe. Könnte auch gleich Schluss machen.
Was tut man, wenn man so eine SMS kriegt?
Warum schrieb Jonathan so was? Mir fiel nur eins ein. Es war irgendwas mit Freya passiert â vielleicht hatten sie sogar Schluss gemacht! Ich spürte, wie ich vor Aufregung zitterte, obwohl ich wusste, wie furchtbar das von mir war.
Was ist los? , simste ich zurück.
Minuten vergingen. Ich drehte mich mit meinem Stuhl im Kreis herum. Warum simste er mir und schrieb nicht eine E-Mail oder chattete? Samstagabends war er immer online, wenn er nicht gerade bei Freya war. Und soweit ich wusste, war er das nicht.
Ein paar Minuten später schickte ich noch eine Nachricht. Er antwortete nicht.
Ich hätte es einfach dabei bewenden lassen können; wenn er reden wollte, wusste er ja, wo ich war. Aber jetzt machte ich mir Sorgen. Ich würde nicht schlafen können, bis ich nicht von ihm gehört hatte. Zum ersten Mal war ich sauer auf Jonathan: Es war unfair, mich in diese Lage zu bringen. Ich war mir auch nicht sicher, ob ich schon
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