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Wo du nicht bist, kann ich nicht sein

Wo du nicht bist, kann ich nicht sein

Titel: Wo du nicht bist, kann ich nicht sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Blaxill
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bisschen zu jung zu sein, um so ganz allein hier zu sitzen.«
    Ich schüttelte den Kopf. Sie sah mich lange an, dann drehte sie sich um und ging nach unten. Ich zögerte einen Moment, dann rappelte ich mich auf. Die Frau glaubte mir offenbar nicht, vielleicht rief sie ja den Sicherheitsdienst oder sogar die Polizei. Es war vermutlich keine gute Idee, abzuwarten und zu sehen, was passierte.
    Draußen waren die Gitter vor dem Bahnhofseingang hochgezogen worden. Zögernd betrat ich die Station. Es war ein unheimliches Gefühl, fast wie auf einem Geisterbahnhof: Die Lichter waren an, aber es war keiner da – keiner, nur ein Typ, der neben einem Buchladen rumhing und einen Burger aß. Ob der wohl auch matschig war? Ich zuckte zusammen, als eine uniformierte Gestalt auftauchte. Ein Wachmann. Ich sah zu, dass ich wegkam, und tauchte hinter einer Säule ab.
    Ich spielte eine Weile lang Katz und Maus mit dem Security-Typen, bis ich die Toiletten entdeckte. Ich dachte, dort könnte ich mich bis zum ersten Zug verstecken, aber ich hatte Gesellschaft. An den Handtrocknern standen drei Typen. Ihre Blicke folgten mir, als ich eine der Kabinen betrat. Ich hörte, wie sie irgendetwas in einer fremden Sprache sagten, irgendein Geruch hing in der Luft, von dem mir schwindelig wurde. Ich hatte Angst, rauszugehen, deshalb blieb ich, wo ich war, kauerte mich auf den Toilettensitz und zog die Knie an die Brust.
    Plötzlich hämmerte jemand an die Tür, und ich zuckte so zusammen, dass ich fast vom Sitz fiel. Angespannt wartete ich auf das, was jetzt kommen würde, aber aus irgendeinem Grund verloren die Männer das Interesse an mir. Irgendwann hörte ich, wie sich Schritte entfernten. Jetzt oder nie, dachte ich, entriegelte die Tür und stürzte raus.
    Als ich wieder in der Halle war, kauerte ich mich in eine Ecke. Ich wollte nur noch nach Hause, raus aus dieser Hölle.
    Sonntage haben ja immer etwas Schleppendes, aber dieser war ganz anders. Irgendwann nach sieben kamen nach und nach Leute in den Bahnhof. Gott sei Dank, dachte ich. Obwohl ich nicht geschlafen hatte, war ich nicht müde, nur leer. Wie ein Zombie ging ich auf und ab, bis die Kaffeestände öffneten. Die Frau am AMT war dieselbe wie neulich, als ich auf Ros gewartet hatte. Sie lächelte mich an.
    Â»Hey, ich erinnere mich an dich. Triffst du dich immer hier mit deinen Freunden?«
    Ich bestellte einen Kaffee und gab ihr einen Zwanziger.
    Â»Hast du es nicht kleiner?«, fragte sie.
    Ich schüttelte den Kopf. Sie schob den Kaffee über den Tresen. »Komm, ist umsonst. Mein Chef kriegt das ja nicht mit. Du siehst aus, als könntest du ein bisschen Koffein vertragen.«
    Ich nahm den Kaffee, murmelte ein Dankeschön und drehte mich schnell weg, weil ich merkte, wie mir die Augen feucht wurden.
    Ich ging als Erster durch die Sperre, als der Acht-Uhr-dreißig-Zug nach Norwich aufgerufen wurde, der früheste an diesem Tag. Ich suchte mir einen Platz, lehnte meinen Kopf ans Fenster und schloss die Augen. Am Ende der Fahrt würde ich zu Hause anrufen müssen. Wenn Mum und Dad mich sahen, würden sie sofort wissen, dass etwas nicht stimmte. Aber das war mir egal. Mir war alles egal …
    Rosalind
    Sonntag, 19. Oktober, 17.50 Uhr
    Am Sonntag war Jonathan spätnachmittags plötzlich online.
    Bist du das echt?, fragte ich.
    Ja.
    Alles klar? Hatte total Schiss wg deiner SMS.
    Sorry.
    Was war denn?!
    Es war wegen Freya, was sonst. Er war total fertig, und ich hätte ihm am liebsten gesagt, dass er froh sein konnte, sie los zu sein, wenn sie ihn so behandelte. Machte ich natürlich nicht. Meine Aufgabe war es, ihn zu bemitleiden, während seine Wut und sein Schmerz aus ihm heraussprudelten, und ihm zu sagen, was er hören wollte, nämlich: dass Freya ihre Meinung noch ändern könnte. Er erzählte mir, wie egoistisch und manipulierend sie sei, aber im selben Atemzug sagte er, er würde sie lieben. Kapierte ich nicht. Vielleicht wollte er es nicht wahrhaben, vielleicht war er in Panik, vielleicht meinte er es aber auch wirklich so. Ich war mir nicht sicher, und ich glaube, er wusste es auch nicht.
    Nachdem wir zwei Stunden geredet hatten, sagte ich: Das Geschreibe ist albern. Ich ruf dich an, versprichst du mir, ans Festnetz zu gehen?
    Okay.
    Ich lief ins Wohnzimmer. Dad und Olivia waren weg, es konnte also niemand mithören.
    Â»Hey.« Jonathan war sofort rangegangen.
    Â»Hi.« Meine

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