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Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Titel: Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Walter
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Magnason. Er trägt Jeans und ein Jackett. Obwohl er selbst schon Vater von vier Kindern ist, hat im Gesicht aber selbst noch etwas von einem schelmischen Jungen. Ich gehe zu ihm hin und begrüße ihn. Da tippt mir jemand von hinten auf die Schulter. Es ist Vigdís. »Hast du ihn schon interviewt?«, fragt die ehemalige Präsidentin und zeigt auf Andri. Ich sage: »Morgen.« Vigdís scheint zufrieden, denn die beiden kennen sich gut.
    »Setz dich doch neben uns«, sagt Andri zu mir. Und Vigdís sagt: »Dann setz ich mich neben dich und du kannst mir deine Fragen stellen.« Und so sitze ich, ehe ich mich versehen kann, zwischen einem meiner isländischen Lieblingsautoren und der ehemaligen Präsidentin und manchmal beugen die beiden sich über mich rüber und stecken die Köpfe zusammen, wenn sie miteinander sprechen wollen. Direkt vor meiner Nase.
    Ich bin allerdings nervös, denn normalerweise bereite ich mich auf Interviews vor – und jetzt muss ich mir die Fragen spontan einfallen lassen. Ich stelle die erste noch bevor die Auktion beginnt. »Warum waren ausgerechnet die Isländer so fortschrittlich, dich 1980 als weltweit erste Frau zur Präsidentin einer Demokratie zu wählen?«, frage ich Vigdís. Es fühlt sich komisch an, eine ehemalige Präsidentin zu duzen, die noch dazu eine elegante, wenn auch lässige Dame ist. Sie trägt schwarze Turnschuhe zur schwarzen Hose, dazu einen schicken Blazer und sie umweht noch immer die Aura einer Staatsfrau. Sie sagt: »Es war keine Offenheit, es ist vielmehr einfach so passiert.«
    Dann erzählt Vigdís vom Weltfrauentag 1975, an dem die Isländerinnen teilnehmen wollten, indem sie ihre Arbeit niederlegten
und mehr Frauenrechte forderten. Auch Vigdís war dabei. »Das war sehr beeindruckend«, erinnert sie sich, »weil an diesem Tag alles stillstand.« Fabriken schlossen, weil zu viele Arbeiterinnen fehlten, Banken schlossen, weil niemand an den Schaltern saß, Läden schlossen, weil die Verkäuferinnen nicht kamen, genauso wie Restaurants, weil es niemanden gab, der das Essen servierte. Besonders lustig war es im Radio, da hörte man im Hintergrund Kinder schreien, weil die Moderatoren sie mit zur Arbeit nehmen mussten – denn die Kindergärtnerinnen streikten ja auch. »Höhere Mächte waren mit uns«, sagt Vigdís und grinst. »Plötzlich zeigte sich, wie wichtig die Frauen in Island waren und dass es ohne uns nicht ging.«
    Als dann fünf Jahre später die Präsidentenwahl anstand, sagten sich die Frauen: »Jetzt müssen wir etwas tun. Wir müssen unbedingt eine Kandidatin aufstellen.« Und viele dachten dabei an Vigdís, die zu dieser Zeit die Leiterin des Stadttheaters war und die man außerdem schon aus dem Fernsehen kannte. Denn Vigdís, die in Frankreich studiert hatte, brachte ihren Landsleuten im Fernsehen in einer eigenen Sendung Französisch bei. Manche Leute schlugen sie prompt in Leserbriefen vor, die im Morgunblaðið abgedruckt wurden. Vigdís wusste gar nichts davon, bis einer ihrer Schauspieler zu ihr kam und fragte, ob sie wirklich Präsidentin werden wolle. »Nei, nei«, sagt sie entschieden. »Ich habe natürlich abgelehnt.« Denn damals dachte sie: »Ich habe doch keine Ahnung davon.«
    Doch dann geschah etwas Ungewöhnliches, das Vigdís’ Entschluss ins Wanken brachte. Sie bekam ein kurzes Telegramm, auf dem lediglich stand: »Wir, die Unterzeichnenden, appellieren an Sie, für das Amt des Staatspräsidenten Islands zu kandidieren … Die Besatzung der Guðbjartur ÍS.« Vigdís dachte: »Wenn jetzt auch die Fischer mich dazu auffordern, kann ich
eigentlich nicht mehr Nein sagen.« Und so ließ sie sich am Ende überreden und nahm das Amt an.
    In diesem Moment beginnt die Auktion und so habe ich ein wenig Zeit, mir Vigdís’ Werdegang noch einmal vor Augen zu führen. Ihr Vater war Ingenieur und Uni-Professor, ihre Mutter Krankenschwester und Vorsitzende des Berufsverbandes. Während der Weimarer Republik arbeitete die Mutter in Berlin. Den Zweiten Weltkrieg verfolgten Vigdís’ Eltern mit Sorge – und indem sie zu Hause eine Europakarte aufhängten und mit Nadeln genau festhielten, was passierte. Später studierte Vigdís in Frankreich, in Grenoble und an der Pariser Sorbonne, Literaturwissenschaften. Dabei fuhr sie mit dem Zug durch Deutschland und sah, wie zerstört es war. Das machte sie zur Pazifistin, sagt sie. Später studierte sie Theaterwissenschaften in Kopenhagen. Sie arbeitete nicht nur als Französischlehrerin und als Leiterin

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