Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
nehmen?, überlegte Andri, setzte sich hin und schrieb ein Kinderbuch. Es heißt Die Geschichte vom blauen Planeten und handelt von einem Planeten, auf dem nur Kinder leben. Allerdings gerät der Planet eines Tages in Gefahr, als ein Erwachsener namens Gaudi Galaktisch dort landet. Gaudi bringt das Leben der eigentlich sehr glücklichen Kinder durcheinander. Er verführt sie mit Geschenken und großen Versprechungen und zapft im Gegenzug ihre Jugend an. Es geht letztlich um die Ausbeutung der Erde, auf der man lebt, um den Verlust
der Unschuld und die Blindheit, die übermäßiger Konsum mit sich bringt. Beinahe kommt es zum Krieg. Liest man das Buch im Angesicht der Wirtschaftskrise, hält man Andri fast für einen Propheten. Doch er erzählt mir, dass er das Buch 1999 während der New-Economy-Blase geschrieben hat.
Ein paar Jahre später dann brachte Andri den Roman Love Star heraus. Es ist ein abgefahrenes und humorvolles Science-Fiction-Stück, das davon erzählt, was passiert, wenn Marketing und neue Technologien die Welt regieren. Im Mittelpunkt steht ein isländisches Mega-Unternehmen, dessen irrer Firmenchef die Träume der Menschen entschlüsselt, den Tod als Spektakel vermarktet und die Liebe wissenschaftlich organisiert.
Dann wechselte Andri wieder das Genre: 2006 erschien sein Werk Traumland – ein Selbsthilfebuch für eine verängstigte Nation , das ganz Island las. Es ist ein Sachbuch, das davon erzählt, wie es dazu kommen konnte, dass Islands Regierung sich auf den Bau ewig neuer Aluminiumschmelzen und schlechte Deals mit ausländischen Unternehmen einließ. Vehement prangert der inzwischen auch zum Umweltaktivisten gewordene Autor den Ausverkauf der Natur an und appelliert an die Isländer, neuere, bessere Lösungen für Probleme wie die Landflucht durch Arbeitsplatzmangel zu finden. Die Sängerin Björk schrieb das Vorwort. In der deutschen Version steht: »Dieses Buch schlug ein wie eine Bombe, als es in Island erschien. Die Politiker hatten unsere Natur ohne unsere Zustimmung als billige Energiequelle an die Industriegiganten der Welt verhökert. Das isländische Volk war stinksauer. Wir hatten keine Chance, uns zu verteidigen. Oder unsere Natur. Wir konnten unseren Zorn über diese Ungerechtigkeit nicht in Worte fassen. Bis auf Andri.« In Traumland geht es vor allem um den umstrittenen Kárahnjúkar-Staudamm oberhalb des Riesengletschers Vatnajökull. Für die Inbetriebnahme
des Megadamms wurde 2006 ein großes Areal unberührter Natur geflutet und somit vollkommen zerstört. Die Politiker waren damals überzeugt, das sei umbedingt notwendig – um das neue Aluminiumkraftwerk in Reyðarfjörður in den Ostfjorden mit Strom zu versorgen und neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Ich frage mich, was Andri wohl als Nächstes plant. Auf meine Interviewanfrage antwortet er: »Am Dienstag ist eine Kunstauktion in Reykjavík. Die Kunstwerke werden verkauft, um eine Naturschutzstiftung zu unterstützen, die ich mitgegründet habe. Komm doch einfach vorbei! Das Interview können wir am Tag darauf machen.«
Am Dienstag gehe ich also auf die Kunstauktion. Und wie der isländische Zufall es so will, steigt, als ich gerade die Stufen zum weißen Kulturhaus in der Hverfisgata 15 auf der einen Seite hochgehe, auf der anderen Seite eine elegante Dame die Treppe hinauf. Ich erkenne sie sofort und ich weiß, dass jetzt der Moment gekommen ist, in dem ich zur Tat schreiten muss. Ich lächele sie an. Sie lächelt zurück. Wir gehen gemeinsam in das Gebäude. Nachdem sie ihren Mantel an die Garderobe gehängt hat, wage ich es, sie anzusprechen. »Hallo Frau Finnbogadóttir«, sage ich, »ich bin übrigens die, die Ihnen die Interviewanfrage per Mail gesendet hat.« – »Oh, du bist das!«, sagt die 81-Jährige freundlich. »Tut mir leid, dass ich noch nicht geantwortet habe. Ich habe ziemlich viel zu tun, weißt du!«
Sie fragt nach, worum es noch mal ging. Dann sagt die ehemalige Präsidentin entschlossen: »Zuallererst schreibst du jetzt mal meine private Telefonnummer auf.« Ich zücke meinen Block und sie diktiert mir ihre Nummer. Dann sagt sie: »Zeig noch mal her«, überprüft die Zahlen und als alles richtig ist, fügt sie hinzu: »Ruf mich Donnerstag um 12 Uhr an. Dann sehen wir, was ich
für dich tun kann.« Dazu muss man sagen, dass jener Tag Gründonnerstag ist, und das ist in Island ein Feiertag.
Ich bedanke mich, gehe in den Saal, in dem die Auktion stattfinden soll, und schaue nach Andri Snær
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