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Wo fehlt's Doktor?

Wo fehlt's Doktor?

Titel: Wo fehlt's Doktor? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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starke geistige Beschäftigung mit der Brustwarze...« Mit einem kurzen Stöhnen brach er mitten im Satz ab. Sir Lancelot wandte sich besorgt um. Er sah, daß der Psychiater leichenblaß geworden war und sich die Seiten hielt.
    »Hören Sie, Bonaccord, sind Sie ganz in Ordnung oder haben Sie vielleicht auch einen Katzenkomplex?«
    »Es ist bloß mein Magen. Revoltiert oft plötzlich, wenn ich einer psychologischen Belastung ausgesetzt bin.«
    »Oh!« Sir Lancelot erhob sich brüsk. »Und seit wann haben Sie das?«
    »Seit ein paar Wochen. Es ist nichts Ernstes.«
    »Ich würde nicht so überzeugt davon sein. Betten Sie Ihren Korpus auf diesen Sessel. Ich sehe mir die Sache einmal an.«
    »Sie müssen sich wirklich nicht die Mühe machen...«
    »Nehmen Sie Vernunft an, Mensch! Sie wollen doch nicht, daß Ihnen einmal mitten in einer Psychoanalyse ein Zwölffingerdarmgeschwür platzt, nicht wahr?« Widerstrebendere Patienten als Dr. Bonaccord waren schon unter der Strenge von Sir Lancelots Blick gefügig geworden. Bonaccord legte sich ergeben auf den Lehnstuhl und öffnete seine Hose. Sir Lancelot entblößte ihn flink von den Rippen bis zur Schamgegend und legte ihm die Hand auf den prallen Unterleib. »Tut das weh?«
    »Ooooooh!«
    »Hm. Könnte ein Zwölffingerdarmgeschwür sein.«
    »Das bedeutet aber nicht, daß man es operieren muß, nicht wahr?«
    »Was spielt das für eine Rolle? Würde Ihnen bestimmt sehr gut tun.«
    Es klang, als spräche er von einem hübschen, kurzen Sommerurlaub.
    »Sie werden jetzt vielleicht denken, daß ich entsetzlich albern bin, aber ich habe eine furchtbare, wenn auch höchst unvernünftige Angst davor, daß jemand an mir herumschneidet.«
    »Sie meinen, auch Sie sind im Analstadium steckengeblieben?«
    »Ich weiß, es ist lächerlich. Ich habe versucht, es zu überwinden. Durch Transferenz, wohlverstanden. So wie Sie mit Ihren Katzen. Ich habe mir gesagt, daß die Chirurgie eine Art geschickter Zaubertrick ist, wie das Entzweisägen einer Frau.«
    Sir Lancelot machte seine Manschettenknöpfe zu. »Ich glaube nicht, daß Sie gleich unters Messer müssen. Sie sind eher ein Fall für medikamentöse als für chirurgische Behandlung. Konsultieren Sie einen Internisten. Warum nicht den Dean gleich nebenan? Als Nachbar mag er ja ein unangenehmer Querulant sein, aber im Verdauungskanal kennt er sich von oben bis unten vorzüglich aus.«
    Dr. Bonaccord richtete seine Hose. Er wirkte erleichtert.
    »Vielleicht suche ich ihn noch heute abend auf. Mag sein, daß es nur um eine entsprechende Diät geht. Schließlich bin ich Junggeselle und esse ziemlich unregelmäßig und unvernünftig.«
    »Macht sich Mrs. Tennant nicht nützlich?«
    »Meine Sekretärin beschränkt ihren Haushalt auf ihre eigene Wohnung«, sagte Dr. Bonaccord spitz.
    »Hm«, brummte Sir Lancelot. Die Studenten von St. Swithin sind anderer Meinung, dachte er. Aber wenn ein Mediziner sein Haus mit einer attraktiven jungen Frau teilt, kann man es ihm nicht verargen, daß er der Sache ein Mäntelchen der Achtbarkeit umhängt. »Gut. Ich werde, was die Katzen betrifft, Ihren Rat befolgen.«
    »Suchen Sie mich morgen nachmittag nochmals auf. Inzwischen: nur Zärtlichkeit«, wiederholte der Psychiater, während er sich die Hemdzipfel in die Hose stopfte. »Nichts als Zärtlichkeit. Sie müssen so weit kommen, daß Sie diese Katzen lieben. Erlauben Sie den Tierchen, sich an Ihnen zu reiben und über Sie zu klettern. Erlauben Sie ihnen, am Fußende Ihres Bettes zu schlafen.«
    »Ich werde mein möglichstes tun«, sagte Sir Lancelot tapfer. »Obwohl es mir lieber wäre, wenn dieses Verhältnis irgendwie platonisch bliebe, denn die zwei sind zweifellos von Flöhen übersät.«
     

4
     
    Vor dem Haupttor von St. Swithin winkte der Dean ein Taxi herbei. An diesem Montag würde er nicht im Speisesaal des Spitals mittagessen. Dieses eine Mal tat es ihm leid, nicht mit Sir Lancelot zusammenzutreffen. Nichts kann in einem Menschen, der jahrelang von einem andern tyrannisiert worden ist, eine angenehmere innere Glut entfachen als das geheime Wissen, daß man den Nachruf auf den Kerl in der Tasche hat.
    Eigentlich hatte der Dean diesen Nachruf noch heute vormittag an den Redakteur abschicken wollen, aber es gingen ihm noch viele kleine Verbesserungen im Kopf herum. So könnte man zum Beispiel den Absatz über Sir Lancelots Lehrmethoden abändern: von unleugbar imponierend, wenn auch in der Art eines viktorianischen Admirals, der auf dem

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