Wo fehlt's Doktor?
müßte, um überhaupt als Krankheit erkannt zu werden.
»Katzen«, sagte Sir Lancelot.
»Katzen? Natürlich. Bitte, erzählen Sie weiter.«
»Kaiser Napoleon Bonaparte litt unter einem pathologischen Horror vor Katzen.«
»Stimmt. So steht’s in den Geschichtsbüchern. Diese krankhafte Angst ist nichts Ungewöhnliches. Feldmarschall Lord Roberts aus dem Ersten Weltkrieg ging es genauso. Er konnte es nicht ertragen, in ein und demselben Raum mit einer Katze zu sein.«
»Ich bin also in illustrer Gesellschaft.«
In den Augen des Psychiaters glitzerte Interesse. »Seit wann sind Sie sich dieser Phobie bewußt?«
»Ich glaube, in ihrer mildesten Form schon mein ganzes Leben lang. Aber erst vor kurzem ist sie richtig zum Ausbruch gekommen. Sie kennen doch meine Haushälterin, Miß MacNish? Vor ungefähr vier Wochen - ich erinnere mich genau, es war am Nachmittag vor dem Maiball der Studenten - nahm sie zwei streunende Katzen in ihre Wohnung. Zwei höchst unsympathische Biester. Eine ist grau und mager, die andere schwarz und dick. Ich glaube, daß sie an Räude und anderen Katzenkrankheiten leiden. Zunächst verspürte ich nur eine unbestimmte Unruhe in Gegenwart dieser widerlichen Tiere...«
Sir Lancelot machte eine Pause. Er konnte ein Schaudern nicht unterdrücken. »Der Zustand ist immer schlimmer geworden. Gestern früh, als ich beim Verlassen des Badezimmers eine von ihnen hinter dem geheizten Handtuchständer schlafend vorfand, war ich total fertig. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie solche Biester es anstellten, daß ein Napoleon in ihrer Nähe sich so kaiserlich wie ein Zitterpudding vorkam. Sie machen natürlich mein ganzes Haus unsicher; Katzen kann man einfach nicht auf einen einzigen Raum beschränken. Jedenfalls brauche ich mir nur vorzustellen, daß eine von ihnen im Zimmer ist, um sofort die qualvollsten Beklemmungssymptome zu fühlen. Was kann man dagegen tun?«
»Es gehört natürlich zur Symptomatologie der Besessenheit...«
»Bitte kommen Sie mir jetzt nicht mit den herrlichen Rechtfertigungstheorien Sigmund Freuds...«
»Wie wäre es mit Tranquilizern?«
»Für mich oder für die Katzen?«
»Oder wäre es nicht einfacher für Sie, die Haushälterin zu wechseln?«
»Mein lieber Schwan! Können Sie sich vorstellen, daß ich ohne weiteres auf die beste Köchin in ganz London verzichte? Ich bin kein großer Esser, aber ein Mann meines Alters und meines Ansehens ist ja leider in der Wahl seiner kleinen Genüsse gewissen Beschränkungen unterworfen.«
»Wir können es mit einer Art Transferenztherapie versuchen. In den medizinischen Zeitschriften wird in der letzten Zeit über ausgezeichnete Resultate berichtet, zu denen man gelangt, indem man die Patienten unter dem Einfluß von Hypnose oder Natriumamytal in direkten Kontakt mit den gefürchteten Objekten bringt, seien es nun Katzen, Goldfische, Autobusschaffner oder was immer.« Sir Lancelot blickte nicht gerade enthusiastisch drein. »Ob wohl wir auf einen Mann mit Ihrer wohlintegrierten Persönlichkeit ein einfacheres Verfahren anwenden könnten. Sie müssen den Katzen gegenüber zärtliche Gefühle entwickeln. Sie müssen sie streicheln, liebkosen, ihnen Milch zu trinken geben.«
»Ich könnte mich ebensowenig dazu überwinden, eines von diesen Untieren anzurühren, wie ich imstande wäre, eine tollwütige Hyäne zu kraulen.«
Dr. Bonaccord blickte gequält drein. Es war, wie er vorausgesehen hatte, eine anstrengende Konsultation. »Darf ich zu einem Ende gelangen? Sie können alles ganz einfach dadurch erreichen, daß Sie sich sagen, die zwei sind gar keine Katzen.«
»Was sind sie denn? Heinzelmännchen in Pelzmänteln?«
»Babys. Menschliche Babys.«
Zweifel stand in Sir Lancelots Gesicht. »Ich habe Babys nicht besonders gern.«
»Sie werden trotzdem merken, daß es wirkt. Ich kann jede Garantie dafür übernehmen. Das nächste Mal, wenn Sie eine von diesen Katzen sehen, sagen Sie sich: >Oh, was für ein reizendes, liebes Baby... ich muß sein kleines Bäuchlein kitzeln.< Sie werden überrascht sein, wie anders Sie sofort empfinden. Wir haben keine Angst vor den Jungen unserer eigenen Spezies.«
Sir Lancelot brummte. »Vielleicht ist es einen Versuch wert.«
»Bestimmt. Ich habe sehr gute Resultate mit Leuten erzielt, die wie Sie im Analstadium steckengeblieben sind...« - »Bitte werden Sie nicht unappetitlich.« - »Ich verwende den Terminus in seiner psychologischen Bedeutung«, sagte Dr. Bonaccord schnell. »Die
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