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Wo fehlt's Doktor?

Wo fehlt's Doktor?

Titel: Wo fehlt's Doktor? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Unsere Wirtschaft überschüttet uns mit unnötigen Dingen, und die Leute schrecken nicht vor Mord zurück, um mehr davon zu bekommen. Verrückt. Wir genießen nur deshalb Frieden, weil der Krieg so total geworden ist, daß ihn voraussichtlich niemand überleben würde. Die Hummerpasteten hier sind einfach köstlich. Ich hoffe, du nimmst sie als Vorspeise.«
    »Danke, gern. Aber ich darf nichts mehr trinken.«
    »Mußt du heute nachmittag Patienten besuchen?«
    »Nein, aber ich habe eine Menge wichtige Verwaltungsarbeit im St. Swithin.«
    »Ich bin überzeugt, daß du das mit geschlossenen Augen tun kannst. Schließlich bist du einer der größten Deans in der Geschichte des Spitals.«
    »Danke.«
    »Schon als kleine Anstaltsärztin habe ich deine unerbittlich auf Leistung ausgerichtete Betriebsführung bewundert.«
    »Danke.«
    »Und doch bringst du es zustande, gleichzeitig ein überaus angenehmer Mensch zu sein.«
    »Danke.«
    »Weißt du, Lionel, daß ich immer eine ganz besondere Schwäche für dich gehabt habe?«
    »Du bist charmant. Wie geht es deinem Mann?«
    »Hast du’s nicht in der Zeitung gelesen? Er ist gerade mit einer Handelsmission nach Südamerika geflogen. Er wird sechs Wochen weg sein.«
    »Aha.«
    »Es ist schrecklich öd, allein in der Wohnung.«
    »Das glaube ich.«
    »Besonders am Abend.«
    »Natürlich.«
    »Trink noch einen Wodka.«
    »Danke. Ich meine, danke nein.«
    »Natürlich trinkst du noch einen. Ober!«
    Sie trug ein elegantes, rotes, ärmelloses Kleid, und als sie den Weinkellner herbeiwinkte, fiel das Sonnenlicht auf die Härchen an ihren Unterarmen. Der Dean fühlte sich, als hätte ihm jemand eine altmodische Kaolin-Kompresse über den Kragen gelegt.
    »Lieber Lionel.« Sie lächelte ihn strahlend an, wie sie das so oft beim Tennis getan hatte, wenn sie den Gegner geschlagen hatte. »Ich brauche deine Hilfe. Nein, mehr als das. Nur du allein kannst mich retten.«
    »Oh?«
    »Lionel, bitte, versuch doch zu reden, statt unartikulierte Laute auszustoßen. Du weißt, daß ich neuerdings sehr an Erziehungsproblemen interessiert bin?«
    »Eine bewundernswerte Beschäftigung für jeden Politiker.«
    »Ja, es ist eine gute Masche. Jeder von uns muß eine ha ben.« Sie plauderte fröhlich weiter. »Es ist heutzutage ein erhebender Anblick, so viele professionelle Apostel zu sehen. Gegen Umweltverschmutzung, zum Beispiel. Das ist natürlich in den Wahlkampagnen der letzte Schrei. Aber die Wähler werden seiner müde werden. Die Menschen sind von Natur aus schmutzig, und nur aus Schuldgefühlen - weil sie sich ansonsten hemmungslos gehenlassen - machen sie sich Sorgen darüber, daß sie die Umwelt verdrecken. Und was den Schutz der Konsumenten betrifft - nun, jede Art Verkauf, angefangen von der Schachtel Zünder, die einem ein Hausierer andreht, hat ein kräftiges Element Bauernfängerei in sich. Ich glaube, die Leute genießen es direkt, übers Ohr gehauen zu werden, wenn es auf elegante Weise geschieht. Aber Erziehung muß es immer geben. Nie werden die Leute der Meinung sein, daß sie genug erzogen werden - oder über genug Freizeit verfügen, die armen, verblendeten Narren!«
    Den Dean verwirrte diese ungenierte politische Analyse ein wenig. »Was soll ich denn tun? Soll ich in irgendeiner Oberschule die Preise verteilen?«
    »Lionel, du hast eine entzückend bescheidene Vorstellung von deinen Fähigkeiten.« Der Kellner stellte seinen dritten Drink auf den Tisch. »Der Barmann macht sie mir mit echtem russischem Wodka - da sind sie viel stärker. Nein, Lionel. Als Dean von St. Swithin bist du tief in die Welt der Erziehung eingedrungen. Ich möchte, daß du noch tiefer eindringst. Viel tiefer. Ah, hier ist der Oberkellner. Bestellen wir. Ich werde dir sagen, was ich mit dir vorhabe, wenn wir mit dem Essen fertig sind. Du siehst aus, als könntest du ein ausgiebiges Mahl vertragen, muß ich feststellen. Ganz spitz. Ist eure wundervolle Miß MacNish nicht in Funktion?«
    »Sie ist den Lockungen Sir Lancelots erlegen.«
    »Schande über sie! Und Josephine hat nie großen Wert darauf gelegt, in der Küche zu glänzen, nicht wahr? Ich natürlich bin eine begeisterte Spezialitäten-Köchin. Wie schade, daß du nicht die paar Jahre gewartet und lieber mich geheiratet hast.«
    Ein Gefühl der Wärme stieg im Dean auf und lief dann sein Rückgrat hinunter. Er hatte plötzlich Angst vor sich selbst. Natürlich war er ein treuer Gatte und Familienvater. Aber vielleicht glänzte Josephine nicht

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