Wo geht’s denn hier ins Paradies?
mühsam rappelte er sich auf.
Wo war Janine?
Vor allem: Was hatte sie ihm in den Tee gegeben? Außer dem Schuss Rum?
„Janine! Komm mal her!“ Er hatte das Gefühl zu flüstern, kein richtiger Ton kam aus seiner Kehle. Und Janine reagierte nicht.
Erst nach Minuten entdeckte er den Zettel und stieß einen unterdrückten Fluch aus. „Miststück. Wenn ich dich erwische!“
Langsam dämmerte ihm, dass sie ihm irgendeine Droge in den Tee gegeben hatte. Wahrscheinlich was von dem Zeug, das sie selbst hin und wieder schluckte. „Meine Kugeln ins Paradies“, nannte sie die Pillen. Er hatte sie schon zweimal dabei erwischt und immer gemahnt, sie solle das Zeug aus dem Leib lassen.
Doch Janine hatte alles verharmlost. „Ist doch nur ein bisschen was zum Glücklichsein.“ Sie hatte gelacht. Unecht. Viel zu laut. „Das brauche ich zum Stressabbau.“
„Ich finde, ausreichend Schlaf wäre gesünder.“ Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie sie ihn angesehen hatte, als er das gesagt hatte. Verächtlich beinahe. Mitleidig und spöttisch zugleich.
„Spießer.“ Das war das einzige Wort gewesen. Sie hatten sich nach diesem verbalen Streit drei Tage lang nicht gesehen – und er musste sich im nachhinein eingestehen, dass er Janine eigentlich nicht sehr vermisst hatte. Ihr körperlichen Reize waren nicht zu leugnen, aber … von dieser Sorte Frauen gab es unendlich viele. Damit konnte man ihn eigentlich nicht reizen.
„Aber du bist ihr wieder auf den Leim gegangen“, hielt er sich vor, während er in die Küche ging, um sich ein Mineralwasser zu holen. Er hatte schrecklichen Durst. Seine Kehle brannte, als hätte er feuriges Chili gegessen. Und sein Kopf … immer noch hämmerten mindestens hundert kleine Teufelchen darin herum.
Doch Karsten hatte Angst, eine Schmerztablette zu nehmen. Keine Ahnung, was geschah, wenn er seinem Organismus eine weitere Dosis Gift zumutete …
Draußen sank die Dämmerung herein, er trank fast eine ganze Flasche Wasser, dann beschloss er, einfach ins Bett zu gehen. Sicher war es nicht falsch, den Rausch – wovon dieser auch immer verursacht worden war – auszuschlafen.
Am nächsten Morgen würde er noch ein wenig Ordnung im Garten machen, dann nach München fahren.
Und dort konnte sich Janine auf ein geharnischtes Donnerwetter gefasst machen!
+ + +
Es war noch sehr früh am Morgen, als Ellen erwachte. Lange hatte sie nicht geschlafen, aus Rücksicht auf Mimi und ihren geliebten Bernhard war sie erst spät am Abend in das Penthouse zurück gekehrt und hatte sich gleich in ihr Zimmer verzogen.
Gestern, als sie sich erst eine Liebesschnulze im Kino angesehen und die obligatorischen drei Tränen vergossen hatte, dann noch in der Spätvorstellung einen amerikanischen Krimi aus den Dreißigern des vorigen Jahrhunderts, war ihr Entschluss gereift: Sie würde ganz früh aufstehen und den freien Tag irgendwo draußen vor der Stadt verbringen. So wie geplant. Schließlich war sie eine erwachsene Frau und konnte die Umgebung Münchens auch allein erkunden.
Leise stand sie auf, kochte sich einen Kaffee und verließ eine halbe Stunde später die Wohnung.
Von Mimi und Bernhard hatte sie nichts gehört – die beiden schliefen sicher nach einer Nacht voller Liebe und Leidenschaft. Verdammt, der Gedanke tat irgendwie weh. Und weckte Neid …
In Gedanken versunken schlenderte Ellen in Richtung Bahnhof – und kaufte eine Fahrkarte nach Prien am Chiemsee. Weit konnte das eigentlich nicht sein, sagte sie sich. Der Tag war also gerettet. Und zu sehen gab es dort sicher genug. Die Insel Herrenchiemsee war bekannt, das Schloss des Märchenkönigs Ludwig II zu besichtigen sicher höchst reizvoll. Vielleicht wurde sie bei diesem Ausflug in die Vergangenheit sogar ein wenig zu neuen Entwürfen inspiriert.
Ihre Laune wurde besser, je näher sie ihrem Ziel kam. Und als dann die Sonne mit Macht durch die eben noch graue Wolkendecke brach, als alles ringsum hell und freundlich wurde, da bekam Ellen richtig gute Laune! In der Umhängetasche, die seitlich an ihrer Taille baumelte, steckte ein Skizzenblock – vielleicht konnte sie sogar draußen im Park von Herrenchiemsee ein bisschen arbeiten!
Der Weg zum Bootssteg war kurz, Ellen tastete schon nach ihrer Geldbörse – da erhielt sie einen Stoß von der Seite. Sie taumelte, fiel … und landete ziemlich unsanft auf dem Boden!
In der nächsten Sekunde beugte sich jemand über sie. „Haben Sie sich weh getan?“ Dunkle Augen, ein markantes
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