Wo geht's hier nach Arabien
Pascha, Enver Pascha und Cemal Pascha über das Schwarze Meer. Talat Pascha, inzwischen in Istanbul zum Tode verurteilt, residiert alsbald behütet im Berliner Exil in einem Hotel am Alexanderplatz, später dann in Charlottenburg. Eine Auslieferung lehnen die Deutschen ab. Am 15. März 1921 wird Talat Pascha von dem Armenier Soghomon Tehlirian auf offener StraÃe erschossen. Am 25. Februar 1943 werden seine Ãberreste unter groÃen militärischen Ehren nach Istanbul überführt. Adolf Hitler ist über den Genozid an den Armeniern bestens informiert, ranghohe deutsche Militärs dienten an der Seite der Türken im Ersten Weltkrieg. Hitlers Ausspruch aus dem Jahr 1939 über die Legalisierung des Holocaust ist verbürgt: » Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?«
Franz Werfel ist tief erschüttert, als er in Syrien weitere Details über die Herkunft der Kinder in der Teppichfabrik erfährt. Schon am ersten Abend sind über sein Hotelbett unzählige Notizzettel verstreut. Zu Hause recherchiert er weiter und kommt über einen Freund an die Protokolle des Pariser Kriegsministeriums, denen er viele Details entnimmt.
Franz Werfel beschreibt auf fast 1000 Seiten die Geschichte eines heldenhaften Widerstands eines Häufleins Armenier gegen die türkische Armee. Der historische Wahrheitsgehalt ist unbestritten. Moses Der Kalousdian verschanzt sich mit den Einwohnern einiger Dörfer auf dem Musa Dagh ( » Mosesberg«) im nordwestlichen Syrien, um der Vernichtung zu entgehen. Die knapp 5000 Menschen sind nur mit alten Jagdgewehren bewaffnet, während sie von der unter deutschem Befehl stehenden Artillerie beschossen werden. Der Verteidigungskampf kann 53 Tage aufrechterhalten werden, bis endlich alliierte Kriegsschiffe zu Hilfe kommen. 4048 Armenier können noch gerettet werden.
Franz Werfels Roman erscheint im Jahr 1933, woraufhin der Autor umgehend aus der PreuÃischen Akademie der Künste ausgeschlossen wird. Verboten wird das Buch sowieso. Franz Werfel flüchtet mit seiner Frau nach Frankreich, von dort mit Heinrich und Golo Mann zu Fuà über die Pyrenäen, von Spanien nach Portugal und von dort in die USA. Als kranker Mann erlebt er in Kalifornien noch das Ende des Hitler-Regimes und stirbt am 26.August 1945 in Beverly Hills.
Die türkische Regierung sieht die Geschehnisse aus den Jahren nach 1915 etwas anders. Zugegeben, es sei zu Ausschreitungen gekommen. Tote gab es auch. Doch handelte es sich hierbei um Terroristen und böse Attentäter. Eine Art Bürgerkrieg sei das alles gewesen. Als der amerikanische Präsident Obama noch nicht Präsident war, aber gerne Präsident werden wollte, schrieb er an die Armenier: » Ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass die USA die Geschehnisse im Osmanischen Reich zwischen 1915 â 23 als Völkermord anerkennen sollten. Wir sollten diese traurige Realität anerkennen. Es ist unverzeihlich, dass die Bush-Regierung diese Anerkennung ablehnt.«
Als Obama dann Präsident war, nahm er in diesem Zusammenhang das böse Wort » Völkermord« nie mehr in den Mund. SchlieÃlich reagiert die türkische Regierung sehr gereizt auf dieses Thema, zieht dann schnell Botschafter ab, schimpft, tobt und droht. Der türkische Ministerpräsident Erdogan erklärt noch im März 2010, knapp 100 Jahre nach dem sinnlosen Morden, als er über die in der Türkei lebenden Armenier spricht:
» Falls nötig, muss ich diese 100 000 vielleicht auffordern, in ihr Land zurückzukehren, weil sie nicht meine Bürger sind.«
Im Jahr 2010 zeigt die ARD im deutschen Fernsehen den Film Aghet. » Aghet« ist Armenisch und bedeutet Katastrophe. Der Film ist dokumentarisch und auch wieder nicht. Deutsche Schauspieler habe die Aussagen längst verstorbener Zeitzeugen über den Völkermord auswendig gelernt und » spielen« nun diese Menschen, darunter Krankenschwestern, Kanzler, Missionare, Konsule, Offiziere. Es sind die GroÃen der deutschen Schauspielkunst, die sich hier für die Menschenrechte längst ermordeter Fremder einsetzen: Martina Gedeck, Gottfried John, Ulrich Noethen, Axel Milberg, Joachim Król, Peter Lohmeyer und sehr viele andere. Chapeau! Auch das kann das viel gescholtene öffentlich-rechtliche Fernsehen: Stellung beziehen.
Und falls der türkische Ministerpräsident wieder einmal auf Staatsbesuch ist und womöglich sogar eine
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