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Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Titel: Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Johnson
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jeden Moment verändern
kann
, aber nicht auf beliebige Art.
    Das Geheimnisvolle und zugleich Wunderbare am Nächstmöglichen ist, dass sich seine Grenzen erweitern, je mehr wir sie erforschen. Jede Neukombination rückt weitere Kombinationen in den Bereich des Nächstmöglichen. Wir können uns das Nächstmögliche wie ein Haus vorstellen, das wie durch Zauberhand mit jeder Tür, die wir öffnen, immer größer wird. Wir beginnen in einem Zimmer mit vier Türen, von denen jede zu einem weiteren Zimmer führt, das wir noch nicht betreten haben. Diese vier angrenzenden Zimmer sind das Nächstmögliche. Betreten wir eines dieser Zimmer, sehen wir vor uns drei neue Türen, die zu weiteren Zimmern führen, die wir von unserem Ausgangspunkt nicht hätten erreichen können. Und nachdem wir genug Türen geöffnet haben, finden wir uns schließlich in einem Palast wieder.
    Einfache Fettsäuren organisieren sich normalerweise ganz von selbst zu kugelförmigen Gebilden mit einer Außenhaut von zwei Molekülen Dicke, die der Membran heutiger Zellen ganz ähnlich ist. Sobald die Fettsäuren diese Kügelchen gebildet haben, öffnet sich ein neuer Flügel im Palast des Nächstmöglichen, denn durch die Kügelchen entsteht automatisch eine Grenze zwischen Innerhalb und Außerhalb der Membran, und diese Grenze ist es, die das Wesen einer Zelle ausmacht. Sobald wir ein »Innen« haben, können wir Dinge hineintun: Nährstoffe, Organellen, Erbmaterial. Kleine Moleküle können durch die Membran ins Innere der Zelle wandern und sich dort mit anderen Molekülen verbinden, die dann zu groß sind, um wieder aus dieser Protozelle zu entschlüpfen. Als die ersten Fettsäuren sich spontan zu jenen doppelwandigen Kügelchen zusammenfügten, stießen sie damit eine Tür ins Nächstmögliche auf, in dem schließlich die auf Nukleotiden basierendeDNA entstand sowie Chloroplasten und Mitochondrien – die ersten »Zellbewohner«, wie wir sie heute kennen.
    Dasselbe Muster findet sich im Verlauf der gesamten Evolution, sie lässt sich sogar als ein einziges, andauerndes Ausloten des Nächstmöglichen beschreiben. Als Dinosaurier wie der Velociraptor einen neuen Knochen im Handgelenk entwickelten (das Mondbein, das seinen Namen von der halbmondartigen Form hat), verschaffte das den Händen des Sauriers größere Beweglichkeit. Auf kurze Sicht machte das den Velociraptor zu einem geschickteren Räuber, aber auf lange Sicht war damit eine weitere Tür zum Nächstmöglichen aufgestoßen, die Millionen Jahre später dazu führen sollte, dass andere Saurier Flügel entwickelten und schließlich fliegen lernten. Als unsere Vorfahren einen den restlichen vier Fingern opponierbaren Daumen entwickelten, erschlossen sie damit einen ganzen Zweig neuer Möglichkeiten, denn von nun an konnte der Mensch Werkzeuge und Waffen herstellen und auch benutzen.
    Was ich an Kauffmans Modell des Nächstmöglichen so inspirierend finde, ist die Parallele zwischen natürlichen und menschengemachten Systemen. Kauffman veranschaulicht den faszinierenden, ungebrochenen Trend in der Entwicklung des Lebens, ständig gegen die Türen des Nächstmöglichen anzurennen. »Irgendetwas muss passiert sein in den letzten 4,8 Milliarden Jahren«, schreibt Kauffman. »Die Biosphäre wurde immer größer, ist regelrecht explodiert in das sich ständig ausdehnende Nächstmögliche … Es ist schon bemerkenswert, wie selten diese offensichtliche Tatsache erwähnt wird und dass wir keine Theorie zu dieser Expansion haben.« Vor vier Milliarden Jahren konnte ein Kohlenstoffatom gerade einmal ein paar Hundert verschiedene Molekülverbindungen eingehen. Heute könnte sich dasselbe Kohlenstoffatom, mit exakt denselben Eigenschaften wie vor vier Milliarden Jahren, in einem Pottwal, einem Mammutbaum oder einem H1N1-Viruswiederfinden oder in einer anderen kohlenstoffbasierten Lebensform. Die Zahl der Möglichkeiten ist mittlerweile fast unbegrenzt, auf der präbiotischen Erde lagen diese Möglichkeiten jedoch noch weit außerhalb des Nächstmöglichen. Hinzu kommt eine ähnlich beeindruckende Liste menschlicher Errungenschaften, die auf Kohlenstoff basieren – alles, was aus Plastik hergestellt ist, zum Beispiel –, und wir sehen, wie weit das Königreich des Nächstmöglichen seit den Tagen, da die ersten Fettsäuren sich zu einem Kügelchen mit doppelwandiger Membran zusammengefügt haben, expandiert hat.
    Die Geschichte des Menschen und seiner Kultur lässt sich als Aneinanderreihung von

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