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Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Titel: Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Johnson
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abzugleichen. Solche Muster in Echtzeit aufzuspüren, war das erklärte Zieldes nie verwirklichten und harsch kritisierten Total Information Awareness Programms, das unter der Führung von Admiral John Poindexter in den Jahren nach 9/11 umgesetzt werden sollte. Im Jahr 2001 war es für FBI-Agenten schon schwierig, per E-Mail miteinander zu kommunizieren – Visaanträge mit den Namen auf den Anwesenheitslisten der Flugschulen abzugleichen, war vollkommen ausgeschlossen. Diese Tatsache allein genügte, dass Robert Mueller wahrheitsgemäß aussagen konnte, die Anschläge seien nicht zu verhindern gewesen, selbst wenn die Empfehlungen des Phoenix-Memos befolgt worden wären. Eine Überprüfung der Visaanträge von Flugschülern hätte das FBI durchaus zu den Attentätern führen können, aber die Informationsarchitektur, mit der man einen solchen Datenabgleich innerhalb nur weniger Wochen hätte durchführen können, existierte nicht. Deshalb genügte Ken Williams‘ Ahnung allein nicht, um 9/11 zu verhindern.
    Dennoch hätte das Phoenix-Memo dazu beitragen können, die Flugzeugentführer aufzuhalten, wäre es jenem Muster gefolgt, das in der Geschichte bahnbrechender Ideen immer wieder auftritt: Das Memo war eine Ahnung, die sich mit einer anderen Ahnung hätte verbinden müssen.
    Genau einen Monat nachdem Ken Williams sein Memo abgesetzt hatte, schrieb sich Zacarias Moussaoui bei der Pan Am International Flight Academy in St. Paul im US-Bundesstaat Minnesota ein und nahm in einem Simulator Flugstunden auf einer Boeing 747-400. Fluglehrern und anderen Mitarbeitern kam der neue Schüler, der die gesamten 8.300 Dollar Kursgebühr in bar bezahlte, sofort verdächtig vor. Moussaoui zeigte ungewöhnlich großes Interesse an der Bedienung der Cockpittüren und der Funkanlage, und das, obwohl er behauptete, nie ein echtes Flugzeug fliegen zu wollen. Die Pan-Am-Mitarbeiter verständigten das FBI, und nacheiner kurzen Überprüfung wurde Moussaoui am 16. August in einem Motel wegen Verletzung der Einwanderungsbestimmungen verhaftet. Im Verhör kamen die Agenten Harry Samit und Greg Jones zu dem Schluss, dass von Moussaoui eine akute Gefahr ausging und er an einem größeren Komplott beteiligt sein könnte. Die Agenten bemühten sich daraufhin verzweifelt – und erfolglos – um eine Genehmigung, Moussaouis Laptop zu durchsuchen. Am 21. August wurde das Ersuchen offiziell abgelehnt mit der Begründung, die Indizien seien nicht stichhaltig genug für einen konkreten Verdacht. Die ganze folgende Woche versuchte das FBI-Büro in Minnesota weiterhin verzweifelt, vom Hauptquartier einen Durchsuchungsbefehl für Moussaouis Laptop zu bekommen, aber es war vergeblich, und die Angelegenheit versandete als weiterer vager Hinweis aus dem Hinterland. Greg Jones äußerte sogar den konkreten Verdacht, Moussaoui könnte versuchen, ein Flugzeug ins World Trade Center zu fliegen, aber der Durchsuchungsbefehl kam erst am Nachmittag des 11. September, nachdem Jones‘ Befürchtung sich als allzu wahr herausgestellt hatte.
    Dies ist die Geschichte zweier Ahnungen: Ken Williams‘ Ahnung, dass radikal-islamische Fundamentalisten einen Anschlag planten, der sich verhindern ließe, wenn es gelänge, Visaanträge mit den Einschreibungen an Flugschulen abzugleichen, und der Ahnung des FBI-Agenten Greg Jones, dass Moussaoui vorhatte, ein Flugzeug in das World Trade Center zu fliegen. Dieser zweiten Ahnung war wiederum eine andere vorausgegangen, nämlich die der Pan-Am-Mitarbeiter, dass Zacarias Moussaoui nicht die Wahrheit sagte, warum er so interessiert daran war, Flugstunden in einem 747-Simulator zu nehmen. Jede für sich genommen, waren sie in der Tat nicht mehr als bloße Ahnungen und die Beweislage dünn. Betrachtet man sie jedoch zusammen, gewinnen sie dramatisch an Überzeugungskraft. Alle Hinweise zusammen hätten mit Sicherheitausgereicht, um einen Durchsuchungsbefehl für die Festplatte von Zacarias Moussaouis Laptop zu erwirken. Die Agenten wären auf direkte Verbindungen zu elf der Entführer vom 11. September gestoßen, ebenso wie auf Überweisungsbelege der Western Union Bank über kürzliche Zahlungen von Ramzi Binalshibh, der eine wichtige Rolle bei der Planung der Anschläge spielte. Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob diese Informationen allein die Ermittlungsbehörden rechtzeitig zu Mohammed Atta geführt hätten oder ob eine gezieltere Befragung Moussaouis ein Geständnis über die geplanten Anschläge zutage gefördert

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