Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)
Arbeitsplatz im Büro mehr. Stattdessen wurden sie ermuntert, sich in immer neuen Sitzordnungen mit ihren Kollegen zusammenzufinden, abhängig vom gerade anstehenden Projekt. Nach allem, was man hört, war es ein kolossaler Fehlschlag, und zwar deshalb, weil hier lediglich übermäßige Ordnung durch übermäßiges Chaos ersetzt wurde.
In den letzten Jahren sind selbst die weit weniger gewagten Großraumbüros immer mehr aus der Mode gekommen, und das aus einem zwingenden Grund: Menschen arbeiten nicht gerne in ihnen. In einem offenen Großraumbüro zu arbeiten ist, als würde man ausschließlich in der Öffentlichkeit arbeiten, was genauso viele Nachteile mit sich bringt wie die Arbeit im einsamen Labor.
Ein besseres Vorbild ist das berühmte Gebäude Nr. 20 des Instituts für Technologie in Massachusetts, das während des Zweiten Weltkriegs eigentlich nur als Übergangslösung gebaut wurde und schließlich auf eine fünfzigjährige Erfolgsgeschichte zurückblicken konnte. Zahlreiche bahnbrechende Ideen entstanden dort, und es beheimatete so erfolgreiche Einrichtungen wie Noam Chomskys Linguistik-Department, Bose Acoustics oder die Digital Equipment Corporation. In einer Pressemitteilung zu Ehren der bemerkenswerten Geschichte des Gebäudes ließ das MIT verlauten: »Ohne feste Anbindung an ein bestimmtes Department, eine Schule oderAbteilung, bot es stets Raum für neue Projekte, für experimentierfreudige Studenten, für interdisziplinäre Forschungen.«
Die Magie des in Stewart Brands
How Buildings Learn
mit gebührenden Worten gepriesenen Gebäudes Nr. 20 lag in der ihm eigenen Balance zwischen Ordnung und Chaos. Natürlich hatte es Wände, Türen und Büros wie die meisten Forschungszentren. Aber da es nur als Übergangslösung gedacht gewesen war und eigentlich nach fünf Jahren wieder abgerissen werden sollte, konnte es ohne viel bürokratischen Aufwand an die sich mit jedem neuen Projekt ständig wandelnden Bedürfnisse angepasst werden.
Die meisten Büros neigen dazu, den Informationsfluss in flüssigen Netzwerken zu unterbrechen. Sie sind genauso fest gefügt wie die Gebäude, in denen sie sich befinden, genauso starr wie die Organigramme, auf denen die Departments feinsäuberlich voneinander abgegrenzt und alle Hierarchien genau festgelegt sind. Gebäude Nr. 20 gelang es, dieser Versteinerung zu entgehen, und das aus einem ganz einfachen Grund: Es war für wenig Geld gebaut worden. Wer immer darin arbeitete, konnte ohne viel Aufhebens eine Wand einreißen oder ein Loch in die Decke machen, um seine Arbeitsumgebung an die Erfordernisse einer neuen Idee anzupassen. Mittlerweile machen sich die Architekten daran, zu lernen, wie sich für flüssige Netzwerke geeignete Arbeitsumgebungen auch in Gebäuden schaffen lassen, die etwas länger als fünf Jahre stehen sollen.
Im November 2007 weihte Microsoft das Gebäude 99 ein, das neue Hauptquartier der Entwicklungsabteilung in Redmond. Die Microsoft-Mitarbeiterin Martha Clarkson hatte in enger Zusammenarbeit mit den multidisziplinären Bastlern der Entwicklungsabteilung das Konzept zu dem Gebäude erarbeitet. Was dabei herauskam, ist ein Gebäude, das von Anfang an darauf ausgelegtist, sich im unvorhersehbaren Wandel von Zusammenarbeit und Inspiration ständig mitzuverändern. Alle Büroräume sind modular aufgebaut, die Wände lassen sich problemlos den Bedürfnissen der Mitarbeiter entsprechend umarrangieren. An Projekten von hoher Priorität wird in den sogenannten »situation rooms« gearbeitet, deren Einrichtung aus einer Mischung aus abgetrennten Arbeitsplätzen, Besprechungstischen und Sofas besteht. Die meisten Wände lassen sich beschreiben. Kommt einem Mitarbeiter also ausgerechnet auf dem Weg zur Toilette eine Idee, kann er sie einfach an die Wand schreiben, was den weiteren Vorteil hat, dass auch seine Kollegen sie sehen können. Anstelle der sonst üblichen Kochnischen mit Kaffeekanne und Kühlschrank finden sich offen gestaltete »mixer stations«, wo die Mitarbeiter sich zwanglos begegnen und sich über ihre Ideen oder auch den neuesten Klatsch austauschen können. In gewisser Weise könnten man sagen: Clarkson hat sich zuerst überlegt, wo die Wasserspender stehen müssen, und dann das restliche Gebäude darum herum gebaut.
Vor etwa dreißig Jahren entwickelte der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi das Konzept des »Flow«. In diesem Zustand ist der Geist vollkommen konzentriert und maximal produktiv. Flow ist eine wundervolle Metapher
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