Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)
weiterzuempfehlen oder zu kommentieren und mit anderen Nutzern in Kommunikation zu treten. Mit nur ein paar Klicks lässt sich ein Clip von einer anderen Seite in die eigene einbetten, und wer will, kann sich mit dieser Technologie sogar sein eigenes kleines »Fernsehprogramm« zusammenstellen. Mancher mag nun behaupten, das läge im Wesen der Software begründet, die viel anpassungsfähiger ist als Hardware wie Fernseher oder Mobiltelefone. Aber bevor das Internet sich Mitte der Neunziger etablierte, folgte die Innovationsgeschwindigkeit bei Softwareprodukten derselben 10/10-Regel, wie wir sie bei der Verbreitung anderer Technologien des 20. Jahrhunderts gesehen haben. Die grafische Benutzeroberfläche beispielsweise geht auf eine Demonstration des Computerpioniers Doug Engelbart im Jahr 1968 zurück. Während der Siebziger wurden einige der von Engelbart vorgeschlagenen Kernelemente wie der heute allgegenwärtige Desktop von Technikern bei Xerox-PARC weiterentwickelt. Das erste kommerzielle Produkt mit einer wirklich funktionierenden grafischen Benutzeroberfläche kam jedoch erst 1981 in Form des Xerox Star auf den Markt. 1984 folgte der Apple Macintosh, der dann auch als erster Computer mit grafischer Benutzeroberfläche eine zwar nicht überwältigende, aber immerhin größere Zahl von Käufern fand.
Erst als im Jahr 1990 Windows 3.0 auf den Markt kam – beinahe exakt zehn Jahre nach dem Xerox Star –, wurden grafische Benutzeroberflächen die Regel. Dasselbe zeitliche Muster finden wir bei anderen Softwaregattungen wie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation oder E-Mail-Clients. All diese Produkte sind aus Bits aufgebaut, nicht aus Atomen, dennoch brauchten sie genauso lange wie HDTV, um sich durchzusetzen. Es gibt viele Arten, Innovationzu messen. Das wahrscheinlich anschaulichste Kriterium, zumindest was technische Dinge betrifft, ist, wie viel Arbeit eine neue Technologie uns abnimmt. Wenn alle anderen Rahmenbedingungen gleich sind, und eine einzelne Innovation es ermöglicht, zwei Aufgaben zu erledigen, wo mit einer anderen Innovation nur eine der beiden Aufgaben erledigt werden kann, ist die erste zweimal so innovativ wie die zweite. Nach diesem Maßstab war YouTube um einiges innovativer als HDTV, auch wenn bei HDTV weit kompliziertere technische Hürden zu meistern gewesen waren. Mit YouTube kann der Nutzer Videos veröffentlichen, teilen, bewerten, ansehen und über sie diskutieren, und das einfacher als je zuvor – mit HDTV sehen wir nur mehr Pixel als je zuvor. Doch trotz dieser großen Zahl an Neuerungen brauchte YouTube von der Idee bis zur massenhaften Verbreitung weniger als zwei Jahre. Etwas am World Wide Web ermöglichte Hurley, Chen und Karim, ihre Idee mit erstaunlicher Geschwindigkeit weltweit zu verbreiten. Sie verkürzten die 10/10-Regel auf 1/1. Dieses Buch handelt von Innovationsräumen. Es gibt Umgebungen, die neue Ideen im Keim ersticken scheinen, während sie in anderen prächtig gedeihen. Großstädte und das World Wide Web sind so produktive Innovationsräume, weil sie sich aufgrund komplexer historischer Zusammenhänge bestens für Entstehung, Verbreitung und Umsetzung guter Ideen eignen. Dennoch ist keine der beiden Umgebungen perfekt. Denken wir nur an die Kriminalitätsrate in großen Städten oder die explosionsartige Zunahme von Spammails. Trotzdem haben Städte und das World Wide Web eine beachtliche Erfolgsgeschichte vorzuweisen, was das Hervorbringen von Innovationen angeht 2 , die durchaus mit der biologischen Innovationskraft von Darwins »Myriaden winziger Architekten« auf dem Korallenriff vergleichbar ist. Wenn wir verstehen wollen, wie gute Ideen entstehen, müssen wir alle drei in Kontext setzen. Darwins Evolutionstheorie entstand in seinem Geist, aber betrachten wir auch die Umgebung und Werkzeuge, die dazu nötig waren: ein Schiff, eine Inselgruppe, ein Notizbuch, eine Bibliothek und ein Korallenriff.
Mit unseren Ideen formen wir die Umgebung, in der wir uns aufhalten, aber die Umgebung macht dasselbe mit uns. These dieses Buches ist, dass überdurchschnittlich produktive Umgebungen bestimmte Eigenschaften gemeinsam haben – ein Muster, das immer wieder auftritt. Diese Eigenschaften habe ich zu sieben Mustern destilliert und jedem davon ein eigenes Kapitel gewidmet. Je mehr wir uns diese Muster zu eigen machen, sei es in der Arbeitswelt, bei unseren Hobbys oder dem Design neuer Softwaretools, desto innovativer werden unsere Gedanken fließen. 3 Diese Muster haben
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