Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)
Nachrichtenplattform patch.com (früher outside.in), die ich vor ein paar Jahren zusammen mit anderen ins Leben gerufen habe, erfasst die Geodaten sowie den Namen des Restaurants und fügt die Information automatisch weiteren Seiten hinzu, auf denen das Restaurant erwähnt wird. Außerdem wird sie auf allen Seiten zur Verfügung gestellt, die sich mit Neuigkeiten und Nachrichten rund um die Boston Back Bay sowie die dortige Restaurantszene beschäftigen. Eine Bostoner Zeitung, die mithilfe der offenen Publisherplattform von patch.com Nachrichten aus der Umgebung online stellt, veröffentlicht den Tweet auf einer Feinschmeckerseite zur Back Bay. Googleregistriert den Link zu der Restauranthomepage, wodurch sie in den Google-Suchergebnissen automatisch weiter nach oben wandert. Wenn der Inhaber des Restaurants einen Google Alert eingerichtet hat, wird er umgehend per E-Mail benachrichtigt, sobald im Netz ein neuer Content auftaucht, in dem der Name seines Restaurants erwähnt wird. Auf vielen dieser Seiten erscheinen Werbeanzeigen von lokalen Anbietern, die sich wie Motten um das helle Licht der in den Tweet eingebetteten Geodaten scharen.
Das Meiste hiervon geschieht innerhalb weniger Minuten. Das Einzige, was Sie dazu beitragen müssen, ist eine 140 Zeichen lange Nachricht zu verfassen und auf »Senden« zu drücken.
Ich spreche hier nicht vom überstrapazierten Begriff des Informationszeitalters, in dem Information sich schneller verbreitet als je zuvor. Hier wird Information nicht nur verbreitet, sie wird von einem vielschichtigen Netzwerk aufgegriffen und neuen Verwendungen zugeführt. Wir tun etwas vollkommen Banales und twittern, was wir zu Mittag gegessen haben, und binnen Minuten werden die bereitgestellten Informationen in den verschiedensten Kontexten weitergenutzt: Nachbarn knüpfen neue soziale Kontakte, Feinschmecker finden endlich den Ort, an dem sie ihre Lieblingssuppe bekommen, Restaurantbesitzer erhalten ungeschminktes Kundenfeedback, Google organisiert sein Pageranking um, Zeitungen polieren zu geringen Kosten ihre Lokalberichterstattung auf, und ortsansässige Firmen finden geeignete Adressaten für ihre Werbung. Nicht schlecht für 140 Zeichen.
Der Punkt hierbei ist: Die 140 Zeichen hatten Hilfe. Bei jedem einzelnen Schritt ihrer Reise standen sie auf bereits vorhandenen, aufeinander aufbauenden Plattformen. Dass es so einfach ist, eine Nachricht an Follower zu schicken, haben wir der Twitter API und der darunterliegenden Datenbank zu verdanken. Das SMS-Datenübertragungsprotokoll sorgt (in Zusammenarbeit mitdem Netzwerk aus Sendemasten und Satelliten) dafür, dass die Nachricht sofort an zahllose Handys weitergeleitet wird. Patch.com übermittelt seine Daten über die offene Plattform RSS. Die in den Tweet eingebetteten Geodaten werden durch die ursprünglich rein militärische GPS-Technologie zur Verfügung gestellt. Twitter-Maps funktionieren nur über API-Anbindung an Googles Map-Dienst. Und dann wären da natürlich noch Protokolle wie HTTP und TCP/IP, die dem Ganzen zugrunde liegen wie ein Korallenriff mit seinen Zooxanthellen. All diese Dienste und Standards sind unverzichtbar für die Informationsnetze, die von unseren 140 Zeichen profitieren, aber für keinen davon muss man einen Nutzungsvertrag abschließen. Es fällte auch keine Lizenzgebühr an, nicht einmal der althergebrachte Handschlag ist nötig. Auf all diese Dienste können wir aufbauen, ohne zuvor um eine Genehmigung bitten zu müssen, und wo keine Genehmigungen nötig sind, gedeiht Innovation. Als Guier, Weiffenbach und McClure ein Zielleitsystem für die Atom-U-Boote der US Navy entwickelten, kam ihnen wohl kaum in den Sinn, dass eines Tages jemand mithilfe derselben Plattform anderen von seinem Mittagessen vorschwärmen würde. Aber so verhalten sich übereinandergeschichtete Plattformen nun mal: Was als Abschreckungswerkzeug im Kalten Krieg entwickelt wurde, hilft ein paar Jahre später Menschen bei der Suche nach der besten Vichyssoise.
Interessanterweise liegt der größte Vorteil übereinandergeschichteter Plattformen in dem Wissen, über das man selbst nicht mehr zu verfügen braucht. Um Ihren Tweet in das Ökosystem des World Wide Web einzuspeisen, brauchen Sie nicht zu wissen, wie man Geodaten via Funk an Satelliten sendet. Miles Davis musste nicht erst die Ventiltrompete oder die dorische D-Tonleiter erfinden, um »Kind of Blue« aufzunehmen. Hierin liegt die generative Kraft offener Plattformen. Der Singvogel, der
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