Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Titel: Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Johnson
Vom Netzwerk:
Einrichtung gesetzlicher Regelwerkeund ganzer Institutionen herangezogen, ganz zu schweigen von eifrig vertretenen persönlichen Meinungen. Aber was, wenn er eine Ausnahme war, und nicht die Regel?
    Um eine so komplizierte Frage zu beantworten, bieten sich drei verschiedene Herangehensweisen an. Man kann sich voll und ganz in ein einzelnes Fallbeispiel vertiefen und versuchen, sein Publikum von der Allgemeingültigkeit dieses Beispiels zu überzeugen. Diese Strategie habe ich in meinen letzten beiden Büchern verfolgt, in denen es um John Snow und Joseph Priestley ging sowie um die Umgebungen, die ihre Arbeit beeinflussten. Der Vorteil dieser Methode ist, dass sie einem ermöglicht, alle Einzelaspekte eines Falls genau zu beleuchten. Der Nachteil dabei: Publikum und Leser müssen dem Autor glauben, dass das Beispiel, das er gewählt hat, auch wirklich repräsentativ ist. Die zweite Methode, die ich in den vorangegangenen Kapiteln gewählt habe, ist, eine These mit Beispielen und Anekdoten aus verschiedenen Kontexten und historischen Epochen zu untermauern. Diese anekdotische Herangehensweise setzt nicht auf Tiefe, sondern auf möglichst breite Streuung. Doch auch hier kann man verdächtigt werden, sich nur die Rosinen herausgepickt zu haben. Wenn auf jeden Tim Berners-Lee hundert Willis Carriers kommen, sagt ein Buch mit Berners-Lee-Anekdoten überhaupt nichts aus. Es führt sogar in die Irre.
    Wenn wir die Stolperfallen sowohl der detaillierten Fallstudie als auch der Anekdotensammlung umgehen wollen, müssen wir das Feld der Innovation als Ganzes betrachten. Nur anhand seiner Biografie werden wir nie herausfinden, ob Willis Carrier nun die Ausnahme oder die Regel ist. Wir brauchen einen umfassenderen Blick. Führen wir also anhand der über die Innovationsgeschichte bekannten Fakten ein kleines Experiment durch: Nehmen wir 200 der wichtigsten Innovationen und wissenschaftlichen Durchbrüche der letzten 600 Jahre, angefangen mit Gutenbergs Druckerpresseüber Einsteins Relativitätstheorie bis hin zu Klimaanlagen und dem World Wide Web. Diese ordnen wir in einem Diagramm einem der folgenden Quadranten zu:

    Innovationen, die von einem kleinen Personenkreis innerhalb eines Unternehmens – oder besser noch: von einem einzelnen Erfinder – gemacht wurden, klassifizieren wir als »individuell«. Als »vernetzt« bezeichnen wir Innovationen, die von einem Kollektiv entwickelt wurden, mit entsprechender Aufgabenverteilung und mehreren Gruppen, die an demselben Problem arbeiteten. War von Anfang an geplant, mit der Erfindung und/oder dem Patent Geld zu verdienen, bezeichnen wir sie als »marktorientiert«. Alles, was sich frei in der globalen Infosphäre verbreiten sollte,gehört zu »nicht marktorientiert«. Von diesen vier Quadranten entspricht der erste kleinen Firmen und Einzelunternehmern, der zweite einem Markt, auf dem mehrere Firmen kooperieren. Der dritte entspricht Amateur-Wissenschaftlern und Hobbyisten, die ihre Ideen bereitwillig anderen zur Verfügung stellen, und der vierte schließlich Open-Source und akademischen Umgebungen, in denen Ideen aufeinander aufbauen und in großen kooperativen Netzwerken erweitert und verbessert werden. Dieser weit gefasste Blick gibt uns die Möglichkeit, die Ausgangsfrage zu beantworten, wie typisch Willis Carriers Geschichte für die Entstehung von Innovation ist. Welcher der vier Quadranten hat die meisten guten Ideen aufzuweisen? 7
    Das archetypische Beispiel für den ersten Quadranten ist Carrier selbst, der die Klimatisierung im Alleingang vorangetrieben und damit von Anfang kommerzielle Interessen verfolgt hat. Auch Gutenberg gehört dorthin. Ein Beispiel für eine vernetzte, marktorientierte Erfindung ist die Vakuumröhre, an deren Entwicklung ein dezentrales Netzwerk Dutzender Menschen beteiligt war, darunter auch Lee de Forest, von denen so gut wie alle entweder Patente anstrebten oder als Entwickler für eine größere Firma arbeiteten. Tim Berners-Lees World Wide Web gehört zu den individuellen, nicht marktorientierten Erfindungen, während das Internet selbst zum vierten Quadranten gehört, wenn wir berücksichtigen, wie viele Personen und Organisationen aus dem öffentlichen Sektor an seiner Entwicklung beteiligt waren.
    An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass diese Klassifizierung nicht das aufeinander Aufbauende fast jeder Innovation wiedergibt. Berners-Lee brauchte die offene Plattform Internet. Ohne sie hätte er sein Hypertext-Protokoll nicht entwickeln

Weitere Kostenlose Bücher