Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)
gigantische Paläste aus Kalziumkarbonat zu errichten, die so stabil sind, dass sieMillionen von Jahren überdauern. Die Menschheit ist mit Recht stolz auf so altehrwürdige Bauwerke wie die Pyramiden oder die Chinesische Mauer, aber selbst diese Monumente verblassen im Vergleich zum Great Barrier Reef, das die größte von Lebewesen geschaffene Struktur auf der Erde ist. Schon als Student träumte Constantz davon, die faszinierenden baumeisterlichen Fähigkeiten der Korallen nutzbar zu machen und Gebäude aus vorgefertigten Elementen herzustellen, statt aus Beton und Stahl. Constantz’ Vision war, eine Art Gussform in Meerwasser zu tauchen, wo dann nach dem Vorbild der Korallenriffe wie durch Zauberhand ganze Gebäude entstehen sollten. Damals war das reine Fantasie, aber Constantz behielt seinen eigenwilligen Traum im Hinterkopf.
1985 hatte Constantz seine Promotion so gut wie abgeschlossen. Mittlerweile war er Experte für technische Verfahren zur Biomineralisation. Auf dem Weg zu einer von der NSF finanzierten Forschungsreise besuchte er für ein paar Tage seine Eltern, die in der Nähe von Palo Alto lebten. Constantz‘ Vater war Arzt. Als die beiden vorm Fernseher ein Footballspiel verfolgten, nahm Constantz ein medizinisches Fachblatt zur Hand und stolperte dort über einen Artikel, in dem es um die immensen Behandlungskosten für Osteoporose ging. Osteoporose ist eine Knochenerkrankung, bei der der Körper die eigenen Knochen abbaut – die Dichte und damit die Festigkeit des Knochenmaterials nimmt ab, was schließlich zu Belastungsbrüchen führt. Ein paar Wochen später stand Constantz auf dem Rangiroa-Atoll mitten im Pazifik und führte Messungen zur Wachstumsgeschwindigkeit von Korallen durch. Da fiel ihm der Osteoporose-Artikel wieder ein. Wenn es irgendwie gelänge, den Wachstumsprozess der Korallenskelette nachzuahmen, dachte er, wäre das eine enorme Hilfe für all die Patienten mit ihren gebrochenen Hüften. Zwei Jahre später gründete er seine erste Firma. Sie stellte Knochenzement zur Reparatur von Brüchen her, undzwar indem sie den Wachstumsmechanismus der Korallen imitierte. Bis zum heutigen Tag wird der von Constantz entwickelte Zement in den meisten orthopädischen Operationssälen der USA und in Europa verwendet.
Constantz gründete zwei weitere erfolgreiche biomedizinische Unternehmen, aber der ursprüngliche Traum, Gebäude aus Korallenskeletten zu errichten, blieb weiterhin in ihm lebendig. Als er während der 0er Jahre in Stanford unterrichtete, trat er der interdisziplinären Fakultät am Woods Institute for the Environment bei, wo er zum ersten Mal von der gigantischen Umweltbelastung hörte, die die Herstellung gewöhnlichen Zements mit sich bringt. Zementherstellung ist die drittgrößte Kohlendioxidquelle weltweit. In Constantz’ Gehirn begann sich ein neues Netzwerk von Ideen herauszubilden, und sein Traum, mithilfe von Gussformen und Meerwasser Gebäude entstehen zu lassen, nahm konkretere Formen an. Korallenriffe schaffen es, ein zementartiges Material herzustellen, ohne dabei die Umwelt zu belasten, und Constantz hatte bereits drei Firmen gegründet, die dieses »Herstellungsverfahren« erfolgreich imitierten. Was, wenn man mit derselben Technik Zement für Autobahnbrücken herstellen könnte wie zur Reparatur von Knochen?
Die langsame Ahnung, die er 25 Jahre lang am Leben erhalten hatte, hatte endlich die richtigen Verknüpfungen bilden können. Kurz entschlossen unterbreitete Constantz seine Vision von einem »grünen« Zement Vinod Khosla, einem Geschäftsmann und Risikokapitalanleger aus dem Silicon Valley. Khosla war sofort begeistert und stellte Geld für die Firmengründung zur Verfügung, ohne auch nur einen Businessplan oder eine PowerPoint-Präsentation gesehen zu haben. Constantz nannte die Firma Calera und richtete in Los Gatos ein Labor ein, wo er in mit Meerwasser gefüllten Lkw-Anhängern Zement herstellte. Schnell stellte sich heraus, dassdas Verfahren achtmal soviel Zement produzierte, wenn er das Wasser zusätzlich mit Kohlendioxid anreicherte. Als Khosla eines Tages vorbeikam, um das Labor zu besichtigen, fragte Constantz seinen Geldgeber: »Wo bekommen wir möglichst große Mengen Kohlendioxid her?« Khosla schaute ihn ungläubig an. Als einer der größten Investoren in umweltverträgliche Technologien wusste er nur zu gut, dass Tausende Fabriken weltweit händeringend nach einer Möglichkeit suchten, das von ihnen ausgestoßene Kohlendioxid
Weitere Kostenlose Bücher