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Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Titel: Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Johnson
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zusätzlich mit einem Ammoniak-Kältegerät gekühlt. An heißen Sommertagen erreichte das System eine Kühlleistung, die der von 50 Tonnen Eis entsprach.
    Carrier verbesserte sein System im Lauf der folgenden Jahre. Bei Sackett-Wilhelm funktionierte es zwar prächtig, aber die Metallteile fingen irgendwann zu rosten an. Als Carrier eines Nachts in Philadelphia auf den Zug wartete, beobachtete er, wie dichter Nebel sich über den Bahnstein legte, und da kam er auf eine Idee: Wenn er im Inneren seines Geräts feinen Dampf erzeugte und die Raumluft daran vorbeiziehen ließ, würde die darin enthaltene Feuchtigkeit an der Oberfläche der Dampfmoleküle kondensieren und dank der äußerst festen Wasserstoffbrücken auch dort bleiben. Das Feuchtigkeitsproblem wäre gelöst und damit auch das Rostproblem. »Wasser rostet nicht«, wie Carrier es in seiner Autobiografie ausdrückte. Im September 1904 meldete Carrier seinen »Apparatus for Treating Air« zum Patent an, am 2. Januar 1906 wurde es gewährt. Es dauerte nicht lange, da trennten sich Carrier und ein paar Mitstreiter von Buffalo Forge und gründeten die Carrier Engineering Corporation, den weltersten Klimaanlagenhersteller. Carrier machte ein Vermögen mit seiner Erfindung. Was als Sonderwunsch eines Kunden begonnen hatte, wurde zuerst zum Luxusartikel und schließlich zur Standardausstattungin Mittelklasseheimen. 2007 machte die Carrier Corporation, mittlerweile Teil von United Technologies, 15 Milliarden Dollar Umsatz. Dank Carriers brillanter Idee fand in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine regelrechte Massenmigration in den Sun Belt und den tiefen Süden der USA statt, wo die Temperaturen für viele Menschen ohne Klimaanlage schlichtweg unerträglich sind. Die Aussage, dass Carriers Idee die soziopolitische Landkarte Amerikas nachhaltig verändert hat, ist keine Übertreibung.
    Carriers Geschichte ist der Archetyp des modernen Innovationsmythos: Ein schlauer Kerl, von Ehrgeiz und lockendem Wohlstand getrieben, kommt auf eine geniale Idee, die schließlich die Welt verändern wird. Doch ganz so einfach und geradlinig war Carriers Geschichte nicht. Anfangs beschäftigte er sich viel mehr mit der Feuchtigkeit der Luft als mit ihrer Temperatur, bis er auf die endgültige Lösung des Problems kam, vergingen mehrere Jahre, und einige seiner technischen Lösungen beruhten auf den Ideen anderer, die lange Zeit vor ihm dran waren. Aber das ist reine Wortklauberei. Carriers Geschichte ist tatsächlich eine Art Blaupause des genialen Erfinders. Fast alle Muster, die wir in den vorangegangenen Kapiteln gesehen haben, fehlen: keine flüssigen Netzwerke (wenn man den Nebel mal außer Acht lässt), keine Kaffeehaus-Exaptationen, keine produktiven Fehlschläge. Und trotzdem kommt am Ende ein großes Patent dabei heraus.
    Was uns zu der unvermeidlichen Frage bringt: Ist Willis Carriers Beispiel nun eine Anomalie oder nicht?
    Die Frage hat tatsächlich soziopolitische Tragweite, denn das Credo, das die kapitalistische Marktwirtschaft zur Innovationsmaschine schlechthin verklärt, fußt zu einem nicht geringen Teilauf Geschichten wie der Willis Carriers. 6 Das ist auch absolut verständlich, denn die Alternative waren sozialistische bzw. kommunistische Planwirtschaft. Regierungsgesteuerte Ökonomien sind ihrem Wesen nach Hierarchien, keine Netzwerke. Auch die Entscheidungskompetenz ist hierarchisch verteilt, was bedeutet, dass neue Ideen erst von der Obrigkeit für gut befunden werden müssen, bevor sie sich in der Gesellschaft verbreiten können. Märkte hingegen ermöglichen guten Ideen, zutage zu treten, wo immer sie wollen. Etwas moderner ausgedrückt: Märkte ermöglichen Innovation auch an den Rändern des Netzwerks. Planwirtschaft lässt sich eher mit den alten Großrechnern aus der Zeit vor dem Internet vergleichen, als jeder Mitarbeiter von einer Zentralstelle aus autorisiert werden musste, bevor er überhaupt an seinem Terminal arbeiten konnte. Als Friedrich von Hayek in den 1940er Jahren seine Theorie über die Bedeutung der Preissignale für die Marktwirtschaft verfasste, beobachtete er ein damit zusammenhängendes Phänomen: Der dezentralisierte Preisbildungsmechanismus ermöglicht es, den Wert eines neuen Produkts abzuschätzen. Will man eine Innovation auf den Markt bringen, muss man nicht erst eine Regierungskommission von ihrem Wert überzeugen. Alles, was man braucht, ist Käufer. Carriers Erfolgsgeschichte wurde als Argumentationsgrundlage für die

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