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Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Titel: Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Johnson
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Gebäude. Wie Meeresökologen festgestellt haben, werden Nährstoffe in Korallenriffen auf erstaunlichste Arten wiederverwertet. Ein Beispiel hierfür ist die Symbiose zwischen Korallen und den Zooxanthellen, mikroskopisch kleinen Algen. Beide Organismen ernähren sich buchstäblich von den Abfallprodukten des anderen: Die Alge nutzt die Energie des Sonnenlichts und scheidet als Abfallprodukt für die Korallenpolypen lebenswichtigen Sauerstoff und Zucker aus. Die Polypen wiederum scheiden Kohlendioxid, Nitrate und Phosphate aus, von denen sich dann wieder die Algen ernähren. Je mehr Zooxanthellen in einem Ökosystem vorhanden sind, desto mehr Sonnenlicht wandeln sie in Energie um, mit der auch der Rest der dortigen Lebensformen etwas anfangen kann. Zooxanthellen und Korallen sind wie Nachbarn, die ohne den Abfall des anderen nicht existieren können und deshalb täglich ihre Mülltonnen untereinander austauschen. Die Nährstoffwiederverwertung in einem Korallenriff geht jedoch weit über die Symbiose zwischen Korallen und Zooxanthellen hinaus. 2001 untersuchte ein deutschesTeam von Ökologen unter der Leitung von Claudio Richter mit Endoskopen die winzigen Hohlräume im Inneren von Korallen im Roten Meer. In den Miniaturgrotten verborgen fanden sie große Schwammpopulationen, die sich an das Leben in den stockfinsteren Hohlräumen angepasst hatten, weil sie dort vor ihren natürlichen Fressfeinden wie Seeigeln und Papageienfischen geschützt sind. Die Schwämme ernähren sich von Phytoplankton, das durchs Riff treibt, und scheiden wie die Zooxanthellen als Stoffwechselendprodukt Substanzen aus, die den Korallen als Nahrung dienen. Diese erst kürzlich entdeckten Schwämme veranschaulichen zwei Grundprinzipien plattformentypischen Recyclings: Sie beziehen das von seinen ursprünglichen Bewohnern verlassene Höhlensystem und finden dort Schutz vor Fressfeinden. Im Gegenzug scheiden sie Nährstoffe aus, mit deren Hilfe die Korallen noch mehr Aragonit erzeugen, wodurch noch mehr Lebensraum für weitere Schwämme entsteht.
    Das gesamte Ökosystem eines Korallenriffs besteht aus ähnlich komplex miteinander verwobenen Nahrungsnetzen, die die Wissenschaft gerade erst zu erforschen beginnt. Sobald wir begreifen, wie biologische Plattformen auf dem Abfall aufbauen, der innerhalb des Systems entsteht, ist Darwins Paradoxon auch kein Paradoxon mehr. Durch die Symbiose zwischen Korallen und Zooxanthellen wird mehr Sonnenenergie nutzbar gemacht, und weil innerhalb des engmaschigen Nahrungskreislaufs zwischen den dicht miteinander verbundenen Spezies jede Energiequelle produktiv wiederverwertet wird, kann das Habitat aus so wenig so unglaublich viel machen. Als Ergebnis entsteht eine florierende Unterwasser-Metropole, die eigentlich genauso verlassen und lebensfeindlich sein müsste wie die Strände des Atolls darüber. Dabei war es nicht der Wettbewerb, der diesen Prozess vorantrieb, sondern die kreative Zusammenarbeit in einem dichten Netzwerk. Die Riff-Plattform verfügt nicht über soreichen Nahrungsüberschuss wie Küstenabschnitte mit Gezeiten und Süßwasserzuflüssen, die ständig frische Erde aus ihrem Flussbett mitbringen. Doch dank der Ökosystem-Ingenieur-Qualitäten der Korallen gedeiht das Leben dort, und das fantastische Recycling von Unterschlupfmöglichkeiten und organischem Abfall macht die Plattform so belebt. 5 Oberhalb der Wasserlinie ändert sich das Bild dramatisch. Die kahlen Atolle ähneln eher den recyclingarmen Ökosystemen der Wüsten. In einer Wüste ist Sonnenenergie zwar in rauen Mengen vorhanden, aber der Großteil davon geht ungenutzt verloren. Nur wenige Sukkulenten können unter den dortigen extremen Bedingungen überleben. Die Energie, die sie weiterreichen, reicht gerade einmal als Lebensgrundlage für ein paar Insekten, welche wiederum als Nahrung für die wenigen Reptilien und Vögel dienen. Am Ende ihres Lebenszyklus werden sie zwar alle zu Bakterienfutter und reihen sich somit wieder in die Nahrungskette ein, aber der Großteil der theoretisch zur Verfügung stehenden (Sonnen-)Energie bleibt dem organischen Leben verschlossen.
    Wenn es nach Brent Constantz geht, werden die genialen Recyclingfähigkeiten der Korallenriffe bald in die menschliche Baukunst Einzug halten. In den späten 70ern studierte Constantz auf Darwins Spuren an der University of California in Santa Barbara Biologie und Geologie. Er war fasziniert von der Biomineralisation der Korallenpolypen, von ihrer Fähigkeit,

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