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Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Titel: Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Johnson
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auch auf die weltliche Forschung auszuwirken, weil wissenschaftliches Gedankengut fortan in Form von Büchern zur Verfügung steht und entsprechend größere Verbreitung findet. In Europa erblüht das Postwesen, das so wichtig für die Wissenschaft der Aufklärung war. Die Bevölkerungsdichte in den Städten nimmt zu, Kaffeehäuser und Institutionen wie die Royal Society werden zu Zentren der geistigen Zusammenarbeit.



Viele dieser Innovationszentren existieren außerhalb der marktorientierten Wirtschaft. Die großen Geister dieser Zeit – Newton, Franklin, Priestley, Hooke, Jefferson, Locke, Lavoisier, Linné – konnten kaum mit einer finanziellen Entlohnung ihrer Ideen rechnen und taten alles, um sie in Umlauf zu bringen. Aber es findet auch eine vertikale Verschiebung in Richtung der marktorientierten Wirtschaft statt. Im 18. Jahrhundert kommt in England der Industriekapitalismus auf und mit ihm ein ökonomisches Gefüge, das kommerzielle Unternehmungen reizvoll macht. Der Markt lockt Innovatoren und Erfinder mit satten Gewinnen, und das im frühen 18. Jahrhundert in England festgeschriebene Patentgesetz gibt ihnen ausreichend Sicherheit, dass niemand ihre Ideen ungestraft stehlen kann. Trotz dieses neuen Schutzes kommen die meisten marktorientierten Innovationen zu dieser Zeit aus Netzwerken, in denen sowohl einzelne als auch Firmen Entscheidendes zur Entwicklung des jeweiligen Produkts beitragen. In Geschichtsbüchern wird dieser langsame, eher evolutionsartige Prozess gerne zu Heureka-Momenten einzelner Erfinder verdichtet, aber die meisten Schlüsseltechnologien, die die industrielle Revolution vorantrieben, waren klassische Beispiele für das, was die Wirtschaftswissenschaft heute »kollektive Erfindung« nennt. In Lehrbüchern wird im Allgemeinen James Watt als Erfinder der Dampfmaschine genannt, aber in Wirklichkeit war Watt nur einer von vielen, die sie während des 19. Jahrhunderts weiterentwickelten.
    Halten wir an dieser Stelle einen Moment inne, bevor wir die Schwelle zum modernen Zeitalter überschreiten
(s. S. 234 )
. Wollen wir Wetten abschließen, welches Innovationsmuster in den nächsten beiden Jahrhunderten das vorherrschende sein wird? Die meisten von uns würden wahrscheinlich auf den ersten Quadranten tippen. Der Kapitalismus kommt zu seiner vollen Entfaltung, es beginnen die Massenproduktion und das Zeitalter der Konsumgesellschaft. Alles deutet darauf hin, dass der erste Quadrant förmlich explodieren wird: Immer mehr Leute haben immer mehr Geld, das sie bereitwillig für neue Produkte ausgeben, geistiges und gewerbliches Urheberrecht wird immer stärker geschützt, die großen Konzerne richten Forschungs- und Entwicklungslabors ein, und immer mehr private Investoren finanzieren mit ihrem Geld neue Geschäftsmodelle. Wenn also der wirtschaftliche Wettbewerb des modernen Kapitalismus die Innovationsmaschine unserer Zeit ist, müsste sich das in der Aktivität im ersten Quadranten widerspiegeln.
    Stattdessen tritt wieder ein neues Muster in Erscheinung: So unwahrscheinlich es auch erscheinen mag, stellt sich der erste Quadrant als der am dünnsten besetzte heraus. Willis Carrier ist also doch die Ausnahme. Einzelkämpfer, die in ihren Labors patentrechtlich geschützte Innovationen austüfteln, sind selten. Auf jeden Alfred Nobel, der unter strenger Geheimhaltung das Dynamit erfindet, kommt ein halbes Dutzend kollektiver Erfindungen wie die Vakuumröhre oder das Fernsehen, die erst durch dezentrale Zusammenarbeit zwischen mehreren Firmen (von entsprechenden Gewinnaussichten motiviert) möglich wurden. Landläufig gilt Edison als der Erfinder der Glühbirne, doch in Wahrheit war es ein komplexes Wechselspiel zwischen Edison und seinen Rivalen, das schließlich zur Erfindung der Glühbirne führte, und jeder trug dabei ein Stück zur Lösung des Problems bei. Kollektive Erfindungen sind keine sozialistische Wunschvorstellung. Für Unternehmer wie Edison und de Forest war finanzieller Erfolg eine beachtliche Motivation, und sie ließen sich so viele Patente ausstellen, wie sie nur konnten. Aber die Freiheit, auf die Ideen anderer zurückgreifen zu können, brachte oft mehr Nutzen als die Geheimniskrämerei. Ohne die Ahnungen und Ideen der Mitbewerber konnte man im stillen Kämmerlein zwar seine eigenen kleinen Ideen entwickeln, aber für einen wirklich großen Schritt ins Nächstmögliche brauchte man Unterstützung.



Noch bemerkenswerter ist die Explosion an Aktivität im vierten

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