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Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Titel: Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Johnson
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sind. Sie können ein Dutzend »Silbergabel«- und Bildungsromane lesen, und dennoch bleibt Ihnen verborgen, was Morettis Tabelle so deutlich zeigt: Die Lebensdauer der einzelnen Genres ist auffallend ähnlich. Moretti führt das auf den Generationswechsel in der Leserschaft zurück. Alle 25 bis 30 Jahre betreten neue Genres die Bühne und übernehmen die Vorherrschaft, weil eine neue Generation von Lesern die literarischen Konventionen bestimmt. Wenn wir versuchen, die Bedeutung eines einzelnen Werks zu verstehen, müssen wir es sehr genau lesen. Wollen wir aber die allgemeine Entwicklung des literarischen Kosmos und seine Innovationsmuster erkennen, müssen wir ein paar Schritte zurücktreten und das Ganze aus der Entfernung betrachten.
    Das genaue Lesen von Literatur findet seine Entsprechung in der Untersuchung von Innovation anhand peinlich genauer Erfinderbiografien oder Schilderungen des Werdegangs einzelner Technologien wie des Radios oder des PCs. So wertvoll diese auch sind, unterliegen sie doch gewissen Beschränkungen. Beim genauen Lesen kommen wir über das engere Umfeld der jeweiligen Erfindung nicht hinaus, die dahinterstehenden allgemeinen Gesetzmäßigkeiten entgehen uns. Betrachten wir Innovation aus der Distanz, entgehen uns zwar die Details, aber wir gewinnen an Überblick. Zweihundert gute Ideen in vier Quadranten zu unterteilen, macht es zwar schwieriger, Spezifisches über die jeweilige Innovation abzulesen, aber es ermöglicht uns die Frage zu beantworten, die wir uns zu Anfang gestellt haben: In welcher Umgebung gedeiht Innovation?



Weil Innovation auch von historischen Entwicklungen beeinflusst wird – die wiederum oft das Ergebnis tief greifender Innovationen im Bereich der Informationsverbreitung sind –, verändern sich auch die vier Quadranten von Epoche zu Epoche. Beginnen wir unseren Überblick mit den bahnbrechenden Ideen aus der Zeit von 1400 bis 1600, von Gutenbergs Druckerpresse bis zu den Anfängen der Aufklärung.
(s. S. 229 )
    Das ist Innovation während der Renaissance, wie sie sich aus der (gedanklichen) Distanz darstellt. Am meisten tut sich im dritten Quadranten, dem nichtkommerziellen, individuellen Bereich. Nur ein paar Ausreißer verteilen sich mehr oder weniger gleichmäßig über die anderen drei Quadranten. So sieht die Innovationslandschaft aus, wenn Informationsnetzwerke nur langsam und unzuverlässig arbeiten, und es kaum wirtschaftlich-unternehmerische Konventionen gibt. Die Druckerpresse ist eben erst erfunden, ein Postwesen erst im Entstehen, und der finanzielle Anreiz, seine Ideen zu vermarkten, ist gering, solange man keinen verlässlichen Absatzmarkt und keine Sponsoren hat. Also dominieren die Einzeltäter: Amateurforscher, zumeist wohlhabend, die ihren private Interessen nachgehen. Wenig überraschender Weise stammt aus dieser Zeit unser heutiges Bild vom Erfindergenie, dem einsamen Visionär, der aus irgendeinem Grund weiter blicken kann als seine Zeitgenossen. Da Vinci, Kopernikus oder Galilei sind die vielleicht prominentesten Beispiele. Manche dieser Einzeltäter, allen voran Galileo, arbeiteten deshalb allein, weil ihre Forschungen dem Establishment ein Dorn im Auge waren. Die wenigen Innovationen, die in Netzwerken entstanden (die ersten tragbaren Uhren, die um 1480 in Nürnberg aufkamen, die von italienischen Kaufleuten entwickelte doppelte Buchführung), haben ihre Wurzeln in den vergleichsweise engmaschigen Informationsnetzwerken der Städte. Der erste Quadrant für Einzelunternehmer, die im Geheimen an einer Erfindung tüfteln, um eines Tages damit reich zu werden, ist so gut wie leer. Gutenberg war die Ausnahme, nicht die Regel.



Betrachten wir die nächsten beiden Jahrhunderte
(s. S. 231 )
, verändert sich das Verteilungsmuster drastisch: Der Einzelkämpfer ohne finanzielles Interesse (Quadrant 3) büßt seinen Vorsprung auf die aufstrebenden Netzwerke (Quadrant 4) beinahe vollkommen ein. Die drastischste Veränderung findet also auf der horizontalen Achse statt: Innovation »übersiedelt« aus den Köpfen Einzelner (auf der linken Seite) in größere Gruppen (auf der rechten Seite). Entfielen während der Renaissance noch weniger als 10 Prozent der Innovationen auf Netzwerke, tat sich 200 Jahre später das Meiste in genau diesem Sektor. Diesem Wechsel gingen zahlreiche andere Entwicklungen voraus, angefangen mit Gutenbergs Druckerpresse. Eineinhalb Jahrhunderte nachdem die erste gedruckte Bibel erschienen ist, beginnt der Buchdruck, sich

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