Wo immer Du bist, Darling
von ihm verlangte. Santos war damals dahintergekommen, dass zwei ehemalige Mitglieder von Mano ihre Namen der Polizei verkauft hatten. Nachdem er wusste, wo sich die beiden versteckt hielten, hatte er ihnen einen Besuch mit dem Messer abgestattet. Ramons Aufgabe war es gewesen, vom Dach des gegenüberliegenden Hauses aus für Santos’ Rückendeckung zu sorgen.
Statt sich gegen die Anweisung zur Wehr zu setzen, hatte er die Wohnung der beiden Männer ins Visier genommen. Santos war dem ersten Mann schon beim Öffnen der Tür mit dem Messer durch die Kehle gefahren. Der zweite schaffte es noch, nach seiner Waffe zu greifen, aber ehe er sie gegen Santos einsetzen konnte, war Ramon zur Stelle gewesen. Mit einem sauberen Schuss ins Handgelenk hatte er den Mann kampfunfähig gemacht. Santos ließ sich mit dem Verletzten sehr viel Zeit. Sein Tod sollte als Warnung für alle potenziellen Verräter dienen.
Ramon kam heute noch die Galle hoch, wenn er an das Gemetzel von damals dachte. Santos war danach unglaublich stolz auf seinen kleinen Bruder, den Scharfschützen, gewesen. Ramon jedoch hatte sich hundeelend gefühlt. Während des anschließend stattfindenden Saufgelages war er von der Gruppe weggeschlichen, um sich hinter einer Reihe von Büschen immer wieder zu übergeben. Er hatte das Bild seiner Mutter vor sich gesehen, wie sie ihm einst erklärt hatte, nur Gott allein besäße das Recht, über Leben und Tod zu entscheiden. Seine Mutter … Ramon biss die Zähne zusammen. Sie hätte das alles nicht gewollt, wäre geschockt darüber gewesen, was letztendlich aus ihren Söhnen geworden war.
Er richtete sich auf und blickte in den fahlen Morgenhimmel. In jener Nacht hatte er sich geschworen, dass er niemals wieder Gott spielen würde. Und tatsächlich war es ihm seither immer gelungen, seine Begegnungen mit der Gegenseite ohne tödliche Folgen zu überstehen. Dabei sollte es bleiben. Die aufmüpfige Blondine mit eingeschlossen. Bestimmt heckte sie schon wieder neuen Ärger aus, das konnte er förmlich riechen.
Die Tür zur Hütte ging auf und Santos schlenderte auf ihn zu. Schnell setzte Ramon eine unbewegliche Miene auf. Wenn sein Bruder auch nur die Spur eines Verdachts hegte, welche Gedanken durch seinen Kopf gingen, würde er ihn genauso kaltblütig abservieren wie die beiden Männer damals.
Santos trat neben ihn, zündete sich eine Zigarette an und nahm einige tiefe Züge.
»Und?«, fragte Ramon mit kühler Lässigkeit.
Santos spuckte verächtlich aus. »Wir geben ihnen noch Zeit bis morgen Mittag. Dann …« Er zeichnete mit dem Daumen eine Linie quer über seinen Hals.
Ramon fluchte innerlich. Wie er es hasste, recht zu haben!
Sein Bruder lachte abfällig. »Das wird ihnen fürs nächste Mal eine Lehre sein. Niemand legt sich mit La Mano de Cuba an.« Er schlug Ramon auf die Schulter und ging zurück ins Haus.
Ramon sah ihm nach. Wenn er für die Lady in der Hütte noch irgendetwas tun wollte, musste er sich verdammt beeilen.
4.
Beunruhigende Nachrichten
Deutschland, Berlin, 02.09.2007, 07:04 Uhr
O liver stöhnte genervt, als das schrille Klingeln des Telefons ihn unbarmherzig aus seinen Träumen riss. Das durfte nicht wahr sein. Konnte er nicht wenigstens ein einziges Mal ausschlafen?
Zumindest das sollte ihm vergönnt sein, wenn er endlich Urlaub hatte. Gestern hatte das Büro um halb neun angerufen. Sie fanden eine Akte nicht. Dabei hatte er der Sekretärin genau erklärt, wo sie lag. So riesig war sein Schreibtisch nun wirklich nicht.
Missmutig wälzte er sich aus dem Bett, warf einen grimmigen Blick auf die Uhr und angelte nach dem Hörer.
Er war gespannt, wer heute der Idee verfallen war, ihn zu wecken. Demjenigen würde das gleich leidtun.
»Oliver Neumeier.«
Als sich der Anrufer zu erkennen gab, runzelte Oliver die Stirn. Schon wieder das Auswärtige Amt! Seine Kollegen hatten wohl Sehnsucht nach ihm, wenn sie sich jetzt bereits täglich meldeten. Seufzend wartete er, bis er durchgestellt wurde. Wenn sie schon wieder nach einer Akte suchten, würde er gleich nach seinem Urlaub Peilsender beantragen.
Ein leises Knacken lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf das Telefon. Oliver blinzelte überrascht, als sich sein oberster Vorgesetzter meldete.
»Herr Neumeier, bitte entschuldigen Sie die Störung, aber wir brauchen Sie sofort im Büro. In den USA ist eine junge Deutsche entführt worden.«
»Was?« Ihm war, als hätte jemand einen Kübel Eiswürfel über seinen Kopf
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