Wo immer Du bist, Darling
gekippt. Rasch fing er sich wieder. »Wann ist das passiert?«
»Vor vier Tagen in Kalifornien. Wir müssen uns unverzüglich um die Sache kümmern.«
»Natürlich. Ich mache mich sofort auf den Weg.« Eilig pfefferte er den Hörer auf die Gabel und spurtete zurück ins Schlafzimmer. Eine Entführung von deutschen Staatsangehörigen kam eher selten vor. Und dass dies in den USA geschah, noch seltener.
Genauer gesagt war es in seinem bisherigen Leben noch nie vorgekommen, dabei war er mit seinen siebenunddreißig Jahren auch nicht mehr gerade das, was man einen Frischling nannte.
Oliver stieg in seine Hosen und nahm eine dunkelblau gestreifte Krawatte aus dem Schrank. Mit den Gedanken schon bei der bevorstehenden Aufgabe klemmte er sich die stets gepackte Aktentasche unter den Arm und verließ nach nur wenigen Minuten seine Wohnung. Für Kaffee musste das Amt sorgen, wenn sie ihn schon aus dem Bett klingelten.
Eine halbe Stunde später lief er die Steinstufen zu seiner Abteilung hinauf. Wie immer war die fünfzigjährige Sekretärin Irene Breitfeld top gestylt, als er ins Büro trat. Sie lächelte ihn entschuldigend an und teilte ihm mit, dass sein Chef ihn bereits erwarte. Oliver rückte die Krawatte zurecht und betrat nach einem kurzen Anklopfen den Raum.
»Guten Morgen, Herr Neumeier. Danke, dass Sie so schnell kommen konnten.« Der Staatsminister erhob sich und wies auf einen Stuhl vor dem breiten Schreibtisch.
»Kein Problem.« Oliver setzte sich.
»Die Deutsche Botschaft in Washington hat angerufen. Der Name der entführten Frau lautet Anja Zimmermann. Die amerikanischen Behörden konnten leider erst heute Nachmittag ihre Personalien ermitteln.« Er reichte eine Akte über den Tisch. »Ich erachte es für dringend erforderlich, die Angehörigen in Kenntnis zu setzen. Schließlich wollen wir uns nicht unterstellen lassen, das Auswärtige Amt würde derartige Angelegenheiten nachlässig handhaben.«
»Natürlich nicht«, murmelte Oliver, während er bereits die Akte öffnete.
Der Minister deutete auf ein Fax, das auf den Unterlagen klemmte. »Würden Sie bitte versuchen, unter dieser Nummer eine Frau Carolin Schuster zu erreichen? Nach vorliegenden Unterlagen wurde die Frau von der Geisel als Ansprechpartnerin genannt. Sie müssen danach unverzüglich in die USA aufbrechen. Meine Sekretärin wird sich um einen Flug kümmern.«
Oliver nickte und überflog den Inhalt der Unterlagen. »Es wurden noch keine Forderungen vonseiten der Entführer gestellt?«
Sein Vorgesetzter schüttelte den Kopf. »Bisher nicht. Gegebenenfalls hat sich das bis zu Ihrer Ankunft vor Ort geändert. Bitte halten Sie mich auf dem Laufenden. Gute Reise.«
Oliver stand auf. »Selbstverständlich.« Mit der Akte unterm Arm steuerte er auf sein Büro zu und ließ sie dort auf den Schreibtisch fallen.
Konzentriert studierte er die Unterlagen. Dann griff er nach dem Telefonhörer.
Sudan, 02.09.2007, 10:12 Uhr
Wie konnte es um diese Uhrzeit nur so heiß sein? Carolin nickte einem Kollegen zu und ging auf das weiß getünchte Gebäude zu, in dem gleich eine Presseerklärung des sudanesischen Militärs zu den jüngsten Ausschreitungen stattfinden sollte.
Kurz bevor sie die Tür erreichte, vibrierte ihr Handy. Sie wechselte das Diktiergerät in die andere Hand und wühlte in ihrer Umhängetasche.
»Ja?« Sie fixierte das Mobiltelefon zwischen Ohr und Schulter, während sie weiterging.
»Spreche ich mit Frau Carolin Schuster?«, fragte eine Männerstimme.
»Genau mit derselben. Um was geht es denn?« Ein schneller Blick auf die Uhr ermahnte Carolin an die in wenigen Minuten beginnende Konferenz. Ungeduldig fasste sie nach dem Türgriff.
»Hier spricht Oliver Neumeier vom Auswärtigen Amt in Berlin. Sind Sie mit einer Frau namens Anja Zimmermann bekannt?«
Carolin ließ die Hand vom Türgriff rutschen. »Warum wollen Sie das wissen?«
»Frau Schuster, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Frau Zimmermann vor wenigen Tagen in den USA entführt wurde.«
Carolin schüttelte energisch den Kopf. Das sollte wohl ein Scherz sein. Dahinter konnte doch nur ihr Chefredakteur Thomas stecken. Er war berüchtigt für seinen Hang, Kollegen mit allerlei Unsinn auf den Arm zu nehmen. »Hör zu, Herr Neumeier«, den Namen betonte sie übertrieben deutlich, »oder wie auch immer du dich sonst nennst. Du kannst Thomas sagen, dass er gefälligst jemand anderen verarschen soll. Grüß ihn doch schön von mir, ja? Und dabei kannst du ihm
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