Wo immer Du bist, Darling
verschlimmerte.
Anja schloss die Augen und schaffte es während des gesamten Startvorgangs nicht, diese wieder zu öffnen. Erst als ein sanftes »Bing« das Erlöschen der Anschnallzeichen verkündete, entspannte sie sich etwas. Den Gurt weiterhin festgezurrt klickte sie sich durch das Filmangebot. Als sie einige Zeit später in Turbulenzen kamen, schob sie ihr Unbehagen energisch beiseite und versuchte, sich weiter auf den Film zu konzentrieren. Nachdem das Flugzeug zum dritten Mal ein Luftloch getroffen hatte, gab sie auf.
Mit zitternden Fingern wühlte sie in ihrer Bauchtasche nach den Beruhigungstabletten, die Carolin ihr vorsorglich zugesteckt hatte. Um sicherzugehen, nahm sie gleich die doppelte Menge der empfohlenen Dosis.
Schon wenig später betrachtete sie beschwingt und heiter ihr Umfeld. Selbst wenn das Flugzeug als brennender Feuerball ins Meer gestürzt wäre, hätte es sie nicht gekümmert.
Irgendwann fielen ihr die Augen zu. Selig dösend bekam sie nichts mehr mit. Sie verschlief den garantiert eindrucksvollen Blick auf Grönland, den Anflug, die Durchsagen des Kapitäns, einfach alles, und wurde erst wieder wach, als die Stewardess zunächst sanft, dann immer resoluter an ihrer Schulter rüttelte.
»Frau Zimmermann, wir sind gelandet«, sagte sie freundlich, aber mit besorgtem Stirnrunzeln.
»Ach … Ja. Gut.« Benommen rappelte sich Anja auf und verließ als Letzte die Maschine.
Erst, als sie wenig später im strahlenden Sonnenschein auf den Shuttlebus zur Autovermietung wartete, wurde ihr klar, dass sie wirklich angekommen war.
Sie befand sich in den USA. Halleluja.
Eine Woche lang stürzte sie sich voller Begeisterung auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt, dann brach sie am frühen Morgen zu ihrem nächsten Ziel, dem Yosemite NP, auf.
Kalifornien, Mariposa, 30.08.2007, 09:40 Uhr
Anja fiel es in dem Moment ein, in dem sie einige Stunden später in Mariposa ihre Kosmetiktasche aus dem Trolley nahm: Sie hatte ihre kompletten Duschsachen im Bay Motel vergessen.
Wie zu Hause üblich hatte sie die Fläschchen in der Dusche stehen lassen. Nur, dass sie leider nicht zu Hause war. Sie hatte keinen Gedanken daran verschwendet, sie mitzunehmen, war nur darauf aus gewesen, so früh wie möglich die Weiterreise anzutreten. Und das passierte ihr gleich in dem ersten Motel, das sie verlassen hatte. Hätte das nicht in drei Wochen, am Ende der Reise, sein können?
Anja seufzte. Es half nichts. Sie konnte sich von nun an ihre Haare mit Motelseife waschen oder sich auf die Suche nach einem Laden begeben.
Frustriert sah sie auf die Uhr. Eigentlich wollte sie in einer Stunde zum Yosemite losfahren. Das würde wahrscheinlich knapp werden.
Sie schnappte sich ihre Zimmerschlüssel und verließ das Motel. Wenn sie sich nicht irrte, hatte sie einen Drugstore nicht weit vom Motel entfernt gesehen.
Der Morgen war zwar wundervoll klar, dafür aber etwas kühl. Anja überlegte schon, ob sie umdrehen und ihre Jacke holen sollte, da erspähte sie den Laden.
Kellerman’s Drugs prangte in blauer Schrift auf dem Schild über der Tür. Der Shop sah zwar nicht vielversprechend aus, aber Anja wollte beim besten Willen ihre Zeit nicht mit Suchen verplempern.
Sie trat durch die Eingangstür. Ein Glöckchen bimmelte. Der Laden lebte von drei niedrigen Regalreihen, bot dafür jedoch eine beeindruckende Auswahl an Zigaretten und Alkohol.
Sie nickte einem älteren Mann hinter der Theke – wahrscheinlich Mr. Kellerman höchstpersönlich – freundlich zu und machte sich auf die Suche.
Im zweiten Regal wurde sie fündig. Anja nahm das Shampoo heraus und suchte nach dem Preis.
»7.99 $«, las sie entgeistert. Puh, nicht gerade billig.
Als die Türglocke erneut bimmelte, sah sie kurz auf. Zwei Männer mit Sonnenbrillen und tief in die Stirn gezogenen Cowboyhüten betraten den Store.
Ihr fiel sofort der südländische Touch der beiden auf: gebräunte Haut, dunkles Haar. Sie schätzte ihr Alter auf Anfang bis Mitte dreißig. Vielleicht Spanier, dachte sie und musterte die Männer genauer.
Der ältere war stämmig, erinnerte etwas an einen Boxer. Der jüngere, größere besaß eine durchtrainierte Figur und strahlte eine Ruhe aus, die man schon beinahe als gefährlich bezeichnen konnte. Irgendwie wirkten die beiden trotz ihres europäischen Aussehens nicht wie Touristen. Vielleicht lag es an der Art, wie sie den Laden betraten. Nicht zögernd, neugierig wie sie, sondern forsch und zielstrebig.
Anja konnte
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