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Wo immer Du bist, Darling

Wo immer Du bist, Darling

Titel: Wo immer Du bist, Darling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Stefanie Hoell
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diesem Moment entschied Carolin, vorerst alles so zu belassen, wie es war. Anjas Zimmer blieb Anjas Zimmer. Zumindest so lange, bis sie sich damit abgefunden hatte, dass ihre Freundin nicht wiederkam.

14.
    Vergangenheit und Zukunft
     
     
     
    Kalifornien, Sierra Nevada, 24.09.2007, 08:16 Uhr
     
    A nja blinzelte irritiert, weil etwas Helles sie blendete.
    Sie öffnete ein Auge. Die Morgensonne schien schräg in die Hütte und warf einen breiten Leuchtstreifen über das Bett. Nach den Wolken der letzten Tage war das eine willkommene Abwechslung. Sie rutschte aus dem gleißenden Licht und drehte den Kopf.
    Ramon schlief neben ihr auf dem Bauch. Das Gesicht ihr zugewandt, die Augen geschlossen, lag er ruhig atmend da. Kein Wunder nach der gestrigen Tortur.
    Er hatte sie zum ersten Mal mithilfe der Krücke auf dem Weg zur Quelle begleitet. Obwohl sie langsam gegangen und oft stehen geblieben waren, hatte ihn die Strecke noch sehr viel Kraft gekostet. Sie spürte, dass er alles daransetzte, so schnell wie möglich für den langen Fußmarsch aus dem Wald bereit zu sein. Zäh, wie Ramon war, ließ er nicht nach, bis er zitternd kurz vor dem Zusammenbruch stand oder sie ihm besorgt Einhalt gebot. Seine Fortschritte hätten jede Rehaklinik stolz gemacht. Es gehörte jede Menge Willenskraft dazu, um in der kurzen Zeit so weit zu kommen.
    Liebevoll betrachtete sie ihn. Er wirkte entspannt, dennoch strahlte er seine ihm eigene Energie aus, ähnlich einem Raubtier, das nie wirklich zur Ruhe kam.
    Anja rechnete ungläubig nach, dass sie ihn erst seit knapp vier Wochen kannte. Wäre nicht die Datumsanzeige ihrer Uhr gewesen, sie hätte unter Eid geschworen, die erste Begegnung mit Ramon läge schon Monate zurück.
    Wie sehr sich seit jenem Tag im Store die Dinge verändert hatten! Damals war er ihr fremd und unnahbar erschienen. Jetzt verstanden sie sich nahezu blind. Anja kannte Ramons Gesicht so gut wie ihr eigenes , hatte ihn schon wütend, erregt, fröhlich, frustriert erlebt, war seiner Seele in Liebe verbunden. Nichtsdestotrotz wusste sie nur wenig über sein gegenwärtiges Leben und so gut wie nichts aus seiner Vergangenheit oder von seiner Familie – Santos ausgenommen.
    Ihre Finger spazierten Ramons Arm hinauf. Sie folgten dem Schwung seiner Schultermuskeln und landeten irgendwann auf den Narben, die sich im grellen Sonnenschein deutlich von seiner gebräunten Haut abhoben. Sie hatte fast vergessen, dass es sie gab.
    Nachdenklich zeichnete sie mit den Fingerspitzen die wulstigen Linien nach. Immer noch hatte sie keine Ahnung, woher sie stammten, welche Erlebnisse und Erinnerungen sich dahinter verbargen.
     
    *
     
    Ramons Muskeln zuckten kaum merklich, als er aufwachte. Er blinzelte schläfrig, schloss dann unter Anjas Streicheln wieder zufrieden die Augen.
    Es dauerte eine Weile, bis er dahinterkam, dass sich ihre Finger speziell auf seinen Rücken konzentrierten, genauer gesagt auf seine Narben. Er klappte ein Auge halb auf und riskierte einen weiteren Blick.
    Anja hatte noch nicht bemerkt, dass er wach war, und studierte konzentriert seine Rückseite. Ramon brauchte nicht zu fragen, warum sie das tat. Ihm war durchaus klar, worüber sie so versunken grübelte. Er hatte seit siebzehn Jahren nicht mehr über die Ursache dieser Narben gesprochen. Die Erinnerung war zu schmerzhaft, schnürte ihm jetzt noch die Luft ab. Es war ihm immer besser erschienen, die Gedanken daran erst gar nicht zuzulassen.
    Unvermittelt fiel ihm ein, was Anja über den Unfall ihrer Eltern gesagt hatte. Schlimme Erlebnisse brauchen Zeit, bis sie verblassen, aber zuerst muss man sich damit auseinandersetzen …
    Sie tief in sich zu verschließen, ließen sie zu schwelender Säure werden, die einen langsam auffraß. Er dachte nach. Zum ersten Mal in seinem Leben dachte er wirklich darüber nach. Diese Geschichte war schon so lange ein Teil von ihm, dass er sich mit den damit verbundenen Qualen abgefunden hatte. Vielleicht musste das nicht so sein. Vielleicht war es an der Zeit, darüber hinwegzukommen.
    Eigentlich schien es ihm inzwischen gar nicht mehr so unmöglich, darüber zu sprechen – nicht Anja gegenüber. Gerade ihr konnte er es erzählen, denn er wusste, sie würde ihn verstehen.
    Ramon schluckte. »Ich war vierzehn, als das mit meinem Rücken passiert ist.«
     
    *
     
    Anja blickte verwundert in sein Gesicht. Wann war er aufgewacht? Sie hatte nicht mitbekommen, dass er ihre Erkundung seines Rückens gespürt hatte. Aber das hatte

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