Wo Licht im Wege steht
Figur.«
»Sie kann sich damit sehen lassen.«
»Ich meine Ihre Figur.«
»Für dieses Kompliment möchte ich aber keine zweihundert Dollar Honorar bezahlen.«
»Das liefere ich umsonst!«
»Soweit es mich betrifft, können Sie sich diese Bemerkungen sparen.«
»Was ist denn auf den anderen Bildern zu sehen, die Sie wegsteckten?«
Sie schüttelte den Kopf. »Die sind für Ihre Zwecke unbedeutend.«
»Haben Sie auch die Negative von diesen beiden Bildern?«
»Ja.«
»Geben Sie sie mir doch!«
»Wozu?«
»Ich möchte sie gern haben.«
Sie zögerte einen Moment. Schließlich nahm sie die Negative heraus, hielt sie der Reihe nach gegen das Licht und gab mir die beiden gewünschten. Sie stand mit dem Rücken zu mir, und während sie die Negative prüfte, hatte ich ein bißchen von dem erhaschen können, was auf den anderen war.
»Haben Sie ein Kuvert?« fragte ich.
Statt einer Antwort nahm sie die restlichen Negative aus dem Umschlag und gab mir die leere Hülle.
Ich hielt nun auch die Negative hoch und betrachtete sie.
»Reizende Enthüllungen.«
»Lassen Sie bitte Ihre Randbemerkungen.«
Ich ließ mich jedoch bei meinem Studium nicht stören. »Und gut entwickelt!« fuhr ich fort.
Sie warf mir einen Seitenblick zu. »Meine Drogerie an der Ecke entwickelt meine Fotos seit drei Jahren.«
»Ich sprach jetzt nicht von den Fotos, ich sprach von Ihrer Figur, wenn Sie das zur Kenntnis nehmen wollen.«
Sie tat, als wolle sie mir ein Buch an den Kopf werfen, aber sie konnte ihr Lächeln nicht ganz unterdrücken.
»So, Sie kennen also Stanwick Carlton nicht?« setzte ich dann unsere Unterhaltung fort.
Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich vermute, daß Stanwick mich nicht leiden kann, weil ich mit Minervas Vergangenheit und ihren kleinen Abenteuern stark verquickt bin.«
»Hatte sie viele?«
»Es war halb so schlimm. Aber er ist eifersüchtig, mißtrauisch und besitzgierig.«
Dann sagte ich: »Vielleicht sollten Sie jetzt den restlichen Teil der Morgenzeitung lesen. Minerva wurde tot aufgefunden. In dem Autohotel >Kozy Dell Slumber Court<, das ungefähr acht bis zehn Meilen außerhalb der Stadt liegt. Sie...«
Claire Bushnell tastete nach dem kleinen Rauchtisch, auf dem die Zeitung lag. Sie riß sie auseinander. Die Comic-Seiten und der Magazinteil fielen unbeachtet auf den Boden. Ich deutete auf den Artikel, der über den Doppelselbstmord berichtete.
Während sie wie angewurzelt dastand und las, trug ihr Gesicht den Ausdruck höchster Bestürzung. Ich konnte nicht entscheiden, ob dieser Ausdruck echt oder nur gespielt war. Auf jeden Fall benutzte ich die Gelegenheit, um mir die restlichen Negative, die noch auf dem Tisch lagen, ebenfalls anzueignen.
Dann ging ich aus dem Zimmer und schloß die Tür leise.
Sie hörte nicht, daß ich wegging. Gelähmt vor Entsetzen, stand sie noch immer an derselben Stelle. Mit weitaufgerissenen Augen verfolgte sie den Bericht über Minerva Carltons Tod.
Der Aufzug war besetzt und ich lief eilig die Treppen hinunter.
Erst nachdem ich um ein paar Eoken herumgefahren war, hielt ich den Wagen an, um mir die anderen Bilder genauer zu betrachten. Zwei von ihnen waren Nacktaufnahmen. Auf den anderen trugen die beiden Frauen Badeanzüge. Zwischen ihnen saß ein Mann. Minervas Kopf ruhte an seiner Schulter, und beide sahen recht glücklich aus.
Nachdenklich steckte ich die Negative in den Umschlag zurück, auf dem die Auftragsorder für das Fotogeschäft stand: >Drei von jedem auf Hochglanz!<
5
Ich fuhr zur Korreander Street und parkte den Wagen vor dem mir bereits bekannten einstöckigen Haus mit den Stuckverzierungen. Über die flachen Stufen stieg ich zur Haustür hinauf und klingelte. Eine große, hagere Frau um die Fünfzig kam mit weit ausholenden, linkischen Bewegungen den Korridor entlang. Ich konnte sie durch die äußere Gittertür beobachten, denn die innere Haustür stand offen. Mit finsteren Blicken betrachtete sie mich.
»Was wollen Sie verkaufen?« fragte sie kurz.
»Nichts.«
»Was wünschen Sie sonst?«
»Ich möchte mit Mrs. Jasper sprechen.«
»Und worüber?«
»Über den Autounfall.«
»Was wollen Sie darüber wissen?«
»Ich möchte erkunden, wie der Unfall vor sich gegangen ist. Und ob die Versicherungsgesellschaft ihre Interessen wahrnahm.«
»Und wozu wollen Sie das alles wissen?«
»Das werde ich ihr erklären, wenn ich mit ihr spreche.«
Die Frau antwortete nicht. Sie wandte sich um und tappte wieder den Gang hinunter,
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