Wo Licht im Wege steht
bittet!«
»Nun gut - jetzt werden Sie mir mal ein paar Tatsachen erzählen und aufhören, sich vor sich selbst zu rechtfertigen.«
»Bitte! Meine Eltern kamen bei einem Schiffsunglück um, als ich drei Jahre alt war. Tante Amelia nahm mich auf. Ich kann mich an meine Eltern nicht mehr erinnern. Aber ich erinnere mich sehr gut an Tante Amelia, an ihre Tugenden und ihre Fehler.«
»Nur weiter«, feuerte ich sie an.
»Tante Amelia war eine außergewöhnlich schöne Frau. Sie heiratete meinen Onkel Dave eigentlich nur aus Mitleid und war dann desillusioniert. Sie wünschte keine Scheidung, obwohl sie nach einigen Jahren erkennen mußte, daß ihr Mann ein unheilbares Leiden hatte. So versuchte sie verzweifelt, ihre Schönheit zu erhalten, um dann, wenn Onkel Dave gestorben war, so jung wie möglich zu sein. Sie wollte dann wieder ganz neu anfangen.«
»Das ist, rein menschlich gesehen, verständlich.«
»Schließlich starb Onkel Dave, und sie traf Onkel Fred. Aber damals war sie schon so weit, daß sie nur noch kalt berechnend vorging. Ich erinnere mich an meine ersten Eindrücke von Tante Amelia. Sie stand vor ihren Spiegeln und betrachtete sich von allen Seiten. Ich wurde einer Kinderfrau überlassen und später in eine Privatschule geschickt. Können Sie begreifen, was in ihr vorging, Mr. Lam? Während der Jahre, als Tante Amelia auf den Tod ihres Mannes wartete, lebte sie nur dafür, sich jung zu erhalten. Sie gewöhnte sich daran und dachte dann nur noch an sich und an ihre jugendliche Erscheinung. Das wurde zum Wichtigsten in ihrem Leben. Wenn man sie aus diesem Egoismus hätte herausreißen können, wäre sie eine wundervolle Frau geworden. Sie ist nämlich gescheit und witzig - aber eben zu selbstgefällig.«
»Sie wurde verletzt?«
»Ja, bei diesem Autounfall. Es sind aber nur kleinere Verletzungen, und bei dem kleinsten Schmerz versinkt sie sofort in den Rollstuhl!«
»Wer pflegt sie dann?«
»Susie Irwin; sie ist Haushälterin, Pflegerin, Gesellschafterin, Köchin und Chauffeur.«
»Lebt sonst noch jemand in dem Haushalt?«
»Nein.«
»Ihre Tante ist also geizig?«
»Geizig und verschwiegen!«
»Und reich dazu.«
»Ich sagte Ihnen schon, man weiß es nicht. Sie muß einiges geerbt haben. Sie machte auch Kapitalanlagen. Wenn man sie richtig verstimmen will, dann genügt auch eine einzige Frage nach ihren finanziellen Verhältnissen.«
»Wie war das mit dem Unfall?«
»Ach, es war so eine typische Vorfahrtgeschichte an einer Straßenkreuzung. Und jeder behauptete, er sei im Recht.«
» I st es nun geklärt? «
»Tante tobte und schimpfte eine Weile, aber nachdem die Versicherungsgesellschaft entschied, daß sie im Unrecht sei, ließ sie sich auf Verhandlungen mit dem Besitzer des anderen Wagens ein. Der andere hatte drei Zeugen bei sich, während meine Tante allein fuhr. Natürlich war sie wütend. Sie hat auch sofort ihren Vertrag mit der Versicherung gelöst.«
»Und seitdem fährt sie ohne jede Versicherung?«
»Sie will nun auf ihr eigenes Risiko fahren, weil sie sich ungerecht behandelt fühlt. Vielleicht hat sie recht. Sie ist eine sehr vorsichtige Fahrerin und reagiert schnell. Aber, wie gesagt, der andere hatte drei Zeugen im Wagen.«
»Lassen Sie uns offen miteinander reden, Mrs. Bushnell...«
»Ich lasse mich Miss Bushnell nennen!«
»Gut, dann lassen Sie uns offen miteinander reden, Claire.«
»Sie machen rasche Fortschritte, Mr. Lam, wenigstens in dieser Richtung.«
»Es geht«, antwortete ich. »Wir können nicht soviel Zeit darauf verwenden, miteinander bekanntzuwerden. Wir müssen zur Sache kommen. Ihr Apartment gehört zu denen der mittleren Preislage...«
»Ich wünschte, Sie würden meine Miete bezahlen, wenn Sie das mittlere Preislage nennen!«
»Ich weiß, es ist ja auch nur eine allgemeingültige Einschätzung. Sie haben kein Auto, Sie haben ein gewisses regelmäßiges Einkommen, vermutlich eine Rente von Ihrem geschiedenen Mann. Sie sind gut gekleidet und wohnen so, daß es für Sie noch gerade erträglich komfortabel ist. Sie haben kein Telefon. - Das heißt, Ihre finanziellen Mittel sind begrenzt.«
Ihr Blick wurde allmählich immer ärgerlicher. Ich fuhr schnell fort: »Wieso gaben Sie Bertha Cool 200 Dollar, nur um herauszufinden, wer der Mann ist, der Ihrer Tante den Hof macht? Diese 200 Dollar kamen doch nicht aus dem Überfluß.«
»Wenn ich Ihnen aber sage, daß sie doch aus dem Überfluß stammen!«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie wollen mich nicht
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