Wo Licht im Wege steht
die Fünfunddreißig herum.«
Sie beugte sich zu mir herüber. »Wirklich, glauben Sie?«
»Ja, so etwa würde ich Sie schätzen.«
»Sie werden staunen«, sagte sie dann, »tatsächlich bin ich schon einundvierzig!«
»Was?« rief ich ungläubig aus.
Sie senkte ihre Wimpern. »Einundvierzig!« wiederholte sie mit Betonung.
»Aber das sieht man Ihnen wirklich nicht an!«
»Nun, ich fühle mich ja auch wesentlich jünger.«
»Was unseren Fall betrifft«, versuchte ich das Thema zu wechseln, »so werde ich mich bei der Versicherungsgesellschaft danach erkundigen. Vielleicht gibt es doch noch Stoff für einen Artikel, den ich dann irgendwo unterbringen kann.«
»Ich würde mich freuen, wenn es so wäre. Ich hoffe es sogar. Solche Fälle muß man veröffentlichen! Die Versicherungsgesellschaften werden allmählich zu selbstherrlich.«
»Es sind Institutionen des öffentlichen Lebens, und wie bei allen diesen Einrichtungen herrscht auch bei ihnen der Bürokratismus vor.«
»Das kann man wohl sagen.«
Ich wandte mich um und sah neben ihrem Rollstuhl auf einem kleinen Lesetisch die Morgenzeitungen liegen. »Haben Sie schon das Neueste über den Mord gelesen?«
»Welchen Mord?« fragte sie.
»Über den, der draußen im >Kozy Dell< passierte.«
»Oh«, meinte sie beiläufig, »Sie meinen diese Geschichte mit dem Liebespaar, das Selbstmord beging? Ich las nur die Überschriften.«
»Den Artikel nicht?«
»Nein.«
»Es waren Leute aus Colorado«, sagte ich. »Ich glaube, er hieß Stanwick Carlton, nein, Augenblick mal, der Mann, der getötet wurde, hieß Dover Fulton. Er ist aus San Robles. Stanwick Carlton ist der Mann der ermordeten Frau. Minerva war ihr Name oder so ähnlich.«
Mrs. Jasper nickte, doch mit ihren Gedanken schien sie woanders zu sein.
»Es wäre mir sehr lieb, wenn Sie einmal zu der Versicherungsgesellschaft gingen. Fragen Sie doch nach einem Mr. Smith, und bitten Sic ihn, er möge Ihnen seine Ansicht über den Fall sagen. Ich würde gern wissen, was er Ihnen erzählt. Und wenn es Ihnen nicht zuviel Mühe macht, dann kommen Sie wieder und berichten mir.«
»Das werde ich tun.«
»Es wäre nett von Ihnen. - Sic sind also ein Schriftsteller. Über welche Themen schreiben Sie denn noch?«
»Ach - über alles mögliche«, antwortete ich ausweichend.
»Unter Ihrem Namen?«
»Nein, meist unter Pseudonymen und manchmal auch ganz anonym.«
»Warum tun Sie das?«
Ich grinste. »Oft schreibe ich sogenannte >Wahre Geschichten«, und...«
»Und die sind gar nicht wahr?«
»Diejenigen, die ich schreibe, nicht!«
»Und ich dachte immer, sie seien es!«
»Zum Teil sind sie’s natürlich auch. Die Tatsachen haben sich meist ereignet, aber ich gestalte sie um und schreibe die Geschichten dann so, als hätte ich sie selbst erlebt. Am meisten bin ich an Scheidungen und Mordfällen interessiert. Diese Sachen ziehen am besten.«
»Darum fragten Sie mich wohl auch wegen des Selbstmordes?«
»Ja, natürlich.«
»Ich habe mir oft überlegt, ob das Schreiben sehr schwierig ist. Ich möchte es auch können.«
»Aber es ist sehr einfach. Sie nehmen sich Feder und Papier und schreiben das, was Ihnen gerade einfällt. Sie werden sich wundern, wie leicht die Worte fließen.«
»Wenn es so leicht ist, warum schreiben dann nicht viel mehr Leute?«
»Es schreiben doch auch viele.«
»Na schön — Sie wissen schon - ich meine, man muß ja die Sachen auch unterbringen können.«
»Da beginnt es allerdings schwierig zu werden«, rief ich aus, »da fängt es sogar an, mühselig zu werden. Das Schreiben ist einfach. Aber beim Unterbringen gerät man meist in die Klemme.«
Sie lachte. »Sie sind ein ulkiger Kauz, Mr. Lam. Wollen Sie sich nicht setzen und noch ein bißchen mit mir plaudern?«
»Ich möchte Sie aber nicht aufhalten...«
»Das tun Sie keineswegs. Es ist Sonntag, und ich bin hier mutterseelenallein. Aber wenn Sie etwas anderes Vorhaben, will ich Sie nicht abhalten...«
»Nein«, unterbrach ich sie, »ich habe nichts vor. Die Gesichter der Versicherungsmenschen möchte ich sehen, falls es mir gelingen sollte, noch einen Zeugen aufzufinden, der bestätigt, daß die Leute *ni anderen Wagen die Schuldigen sind. Ich fürchte, die Gesellschaft wird bald den Braten riechen und alles versuchen, mir meine Nachforschungen zu erschweren.«
»Das wäre ja noch schöner. Dann müssen Sie sich dagegen wehren.«
Ein wenig zögernd sprach ich weiter. »Gestern schon, als ich Sie besuchen wollte, wurde ich
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