Wo niemand dich findet
Ehepartners von einer gerichtlichen Aussage nicht. Aber diese Sondereinheit war offensichtlich nicht an Melanies häuslicher Situation interessiert. »Was wollen Sie denn von ihr?«
»Wir wollten sie verkabeln und sie in die Nähe von Coghan und einigen seiner Partner bringen. Wir dachten, dass wir so an wichtige Informationen über deren Machenschaften kommen.«
»Und dabei hätten Sie ihr Leben aufs Spiel gesetzt.«
Er schwieg. »Ihr Leben stand schon vorher auf dem Spiel.«
Unglaublich.
»Sie haben ihr Angst eingejagt«, stellte Alex fest. »Nur deswegen ist sie zu mir gekommen und wollte verschwinden.«
Holt nickte.
»Nun denn, jetzt ist sie verschwunden«, meinte Alex. »Ich würde vorschlagen, dass sich Ihre Sonderheit nach einem anderen Spitzel umsieht. Ach ja, und vielleicht überlegen Sie, ob Sie nicht auch mal wegen Mord ermitteln. Ich glaube nämlich, dass Coghan sie umgebracht hat. Genau wie ihren Freund.«
»Joe Turner«, sagte er. »Ihn haben wir im Lake Austin gefunden.«
»Ich wusste nicht, dass man ihn schon identifiziert hat.«
»Hat Melanie Ihnen von ihm erzählt?«
»Nein.«
»Warum sind Sie so feindselig, Alex?«
»Ich mag es nicht, wenn man mich anlügt und manipuliert, Bill !«
Ein kurzes Zucken spielte um seinen Mund. »Ach, kommen Sie, erzählen Sie mir nicht, dass Sie bei Ihrer Arbeit noch nie zu einer Notlüge gegriffen haben.«
Wieder klingelte Alex’ Handy. Sie holte es aus der Handtasche. Nathan.
»Hi«, sagte sie.
»Hallo, du.«
Allein der Klang seiner Stimme ließ sie wieder am
ganzen Leib zittern. Alex drehte sich weg von Holt. »Ich kann jetzt nicht sprechen.«
»Was ist los?«
»Alles prima«, sagte sie in der Hoffnung, dass ihre Stimme bei dieser Floskel besonders fest klang. »Hör mal, können wir nicht später reden? Es ist grad ziemlich ungünstig.«
»Okay, ruf an, wenn’s passt.«
Sie steckte das Telefon zurück in die Handtasche und sah auf die Uhr. Fast sieben. Sie merkte, wie es ihr immer schwerer fiel, die Fassung zu bewahren. Sie wollte nur noch nach Hause fahren. Ihr Magen begann zu rebellieren, und die Wände des Zimmers schienen immer näher zu rücken.
»Ich muss jetzt gehen.«
Da Holt nichts erwiderte, ging sie zur Tür. Er erhob sich und trat ihr mit einem Griff zum Türknauf in den Weg. »Ich muss Sie bitten, mit mir in Kontakt zu bleiben.«
Sie funkelte ihn an.
»Warum bleiben denn nicht Sie und Ihre Sondereinheit mit mir in Kontakt? Am besten fangen Sie damit an, wenn Sie den Namen des Schweins haben, das mich gerade angegriffen hat.«
»Wir arbeiten dran.«
»So wie Sie daran arbeiten, Melanies Mörder zu finden?«
Er schwieg, während sie ihn zornbebend anstarrte. Schließlich drückte er die Klinke und öffnete die Tür.
»Bleiben Sie in Kontakt, Alex«, sagte er.
»Darauf können Sie wetten.«
Alex parkte in einer kleinen Straße in der Nähe ihres Büros in zweiter Reihe. Ohne auf die obszönen Gesten und das wütende Gehupe zu achten, lief sie über die Lavaca Street zu Lovell Solutions. Es würde nur fünf, höchstens zehn Minuten dauern. Sie wollte ihren Laptop mitnehmen, Sophie nach Hause schicken und zusperren. Anschließend würde sie nach Hause fahren und vermutlich einen Nervenzusammenbruch bekommen.
Ungeduldig klopfte sie an die Glastür. Sophie drückte auf den Türöffner.
Als die Assistentin sie hereinkommen sah, sprang sie auf und stürzte hinter dem Schreibtisch hervor. »Ach, du Scheiße!«, rief sie. »Was ist denn mit dir passiert?«
»Das ist eine lange Geschichte.« Alex warf ihre Handtasche auf das Sofa, lief zum Aktenschrank und riss die oberste Schublade auf.
»Alex, was …?«
»Was ist zum Kuckuck mit meinen Akten los?«, schnauzte sie.
Von dem barschen Ton verunsichert, trat Sophie einen Schritt zurück. Oder lag es an Alex’ Gesicht, an ihrem ungläubigen Ausdruck?
»Was hast du mit den Akten gemacht?«
»Ich, äh … sie sind alphabetisch geordnet.«
»Wo ist Scoffield?« Alex wühlte sich durch die Mappen. Was sollte dieser Unfug?
»Der ist unter ›B‹ wie Bess. Der Fall Melanie Bess. Du hast doch gesagt …«
»Bring mir bloß mein Zeug nicht durcheinander.« Sie entdeckte den ordentlichen kleinen Karteikartenreiter in der Akte Bess: SCOFFIELD, WILLIAM. Alex unterdrückte
einen Fluch und riss die Mappe aus der Schublade. Nicht zu fassen, dass sie darauf reingefallen war. Sie hätte ein Foto suchen sollen. Natürlich gab es einen Anwalt namens William Scoffield mit einer
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