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Wo niemand dich findet

Wo niemand dich findet

Titel: Wo niemand dich findet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Griffin
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Kanzlei in Midland. Ebenso wie irgendein Bess vor nicht allzu langer Zeit irgendwo in Midland County gestorben war. Aber keiner von ihnen hatte auch nur das Geringste mit Melanie Coghan zu tun. Bess war ein häufiger Name. Holt hatte sich vermutlich bloß die Todesanzeigen angesehen und daraus eine kleine Geschichte gebastelt.
    »Alex, ich glaube, du bräuchtest einen Eisbeutel.« Sophies besorgter Blick war auf Alex’ Wange gerichtet.
    Alex holte tief Luft. Sie sagte sich, dass ihre Assistentin nur helfen wollte. »Das mache ich zu Hause.«
    »Aber Alex …«
    »Ich muss nur noch meinen Laptop holen.« Sie klemmte sich die Akte unter den Arm und ging zu ihrem Arbeitszimmer. »Du kannst Schluss machen«, sagte sie über ihre Schulter.
    »Aber …«
    »Mach dir keine Gedanken wegen dem Mietwagen. Den können wir auch morgen zurückgeben.«
    »Aber du hast eine Mandantin …«
    Alex stieß die Tür zu ihrem Arbeitszimmer auf.
    »… die da drin auf dich wartet.«
    Wie vom Donner gerührt blieb sie stehen.
    Die Akte fiel zu Boden, Alex’ Mund klappte auf. Fassungslos starrte sie auf die blasse, schwarzhaarige Frau, die über ihrem Schreibtisch zusammengesunken war und schnarchte.
    Melanie.

15
    »Ich versuch doch schon die ganze Zeit zu sagen, dass da eine Mandantin wartet.«
    Alex löste ihren Blick von der Schlafenden am Schreibtisch und drehte sich zu Sophie um. Die kniete am Boden und suchte die verstreuten Papiere zusammen. Schließlich erhob sie sich und hielt Alex die Akte entgegen.
    »Da, bitte!«
    »Wann ist sie denn gekommen?«
    »Vor ungefähr einer Stunde. Sie hat darauf bestanden, hier bei geschlossener Tür zu warten. Ich glaube, sie hatte Angst, dass jemand reinkommen könnte.«
    Alex nahm die Akte und starrte sie unschlüssig an. Melanie lebte.
    »Ich konnte ja nicht eher gehen, bis du gekommen bist«, sagte Sophie. »Aber ich bin schon spät dran für den Auftritt. Wenn du also nichts dagegen hast …«
    »Aber klar. Geh nur. Tut mir leid, dass ich dich hab warten lassen.«
    »Bis morgen dann.«
    »Bis morgen«, echote Alex und wandte sich wieder Melanie zu. Melanie . Noch dazu hier in ihrem Arbeitszimmer.
    Sie hörte, wie die Tür geöffnet wurde, und wirbelte herum. »Sophie, einen Augenblick noch!«

    Ihre Assistentin blieb auf der Schwelle stehen.
    »Erzähl bitte niemand, dass sie hier ist. Kein Sterbenswörtchen.«
    Sophie sah sie beleidigt an. »Ein bisschen Grips könntest du mir aber schon zutrauen!«
    Alex wandte sich wieder Melanie zu. Ihre kurzen schwarzen Haare standen wie Stacheln ab. Sie hatte die Arme auf dem Schreibtisch verschränkt und lag mit einer Backe darauf. Sie wirkte vollkommen erschöpft und erschlagen. Hätte sie nicht geschnarcht, Alex hätte sie für tot gehalten.
    Und das hatte sie auch. Schon seit Wochen.
    Sie schloss die Tür zu ihrem Arbeitszimmer und sperrte ab.
    Melanie lebte.
    Ein Kloß bildete sich in Alex’ Hals, als sich diese neue Erkenntnis in ihrem Bewusstsein festsetzte. Sie trat vor den Schreibtisch und sah auf Melanie herab.
    Melanie begann sich zu regen, so als spürte sie Alex’ Anwesenheit. Das Schnarchen hörte auf, die Augenlider flatterten, und mit einem Mal schnellte sie empor. Gleich danach stieß sie sich von der Tischplatte ab und rollte mit dem Schreibtischstuhl von Alex weg.
    »Lange nicht gesehen«, begrüßte sie Alex.
    Melanies Hände umklammerten die Stuhllehnen. »Mein Gott, hast du mich erschreckt!«, stieß sie hervor. »Ich hatte keine Ahnung, dass du da bist.«
    »Tja, ich arbeite hier.« Alex warf die Akte auf die Tischplatte und nahm auf dem Plastikstuhl Platz. Sie betrachtete ihre Mandantin. Melanie war blass und hatte große dunkle Ringe unter den blutunterlaufenen Augen.
    »Du siehst nicht gut aus, Melanie.«
    Diese Bemerkung schien sie zu erschüttern. Sie gaffte Alex ungläubig an. Dann brach sie in schallendes Gelächter aus.
    »Ich mein’s ernst«, wiederholte Alex. »Du siehst ziemlich fertig aus.«
    Einen Augenblick lang saß Melanie nur regungslos da. Dann brach sie zusammen. Sie vergrub das Gesicht in ihren Händen und begann zu schluchzen.
    Alex verschränkte die Arme vor der Brust und sah zu, wie sich vor ihr eine Sturzflut von Tränen ergoss. Melanie heulte und schniefte hemmungslos. Es war eine ganz ähnliche Situation wie im vergangenen Oktober, nur saß damals Melanie auf dem Plastikstuhl und Alex hinter dem Schreibtisch.
    »Ich hatte so viel Angst, Alex.« Tränenüberströmt sah sie auf. »Du glaubst es

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