Wo Tiger zu Hause sind
wenigstens interessant?« Roetgen verzog zweifelnd den Mund.
»Super interessant!«, sagte Thaïs, »ich kann dir sagen! … Außerdem hast du perfekt Portugiesisch gesprochen, ohne jeden Akzent, das war sagenhaft.«
»Ja, unglaublich!«, sagte Moéma. »Du warst wie hypnotisiert.«
»Und dann?«
»Dann haben wir einen Joint geraucht, und dann … Sag jetzt nicht, du erinnerst dich nicht daran?«
»Ich schwör’s!«, log Roetgen. »Das Letzte, was ich weiß, ist Marlenes Strip …«
»Na, du bist über mich hergefallen, während Thaïs mit dir sprach …«
»Im Ernst?«
»Oh ja!«, lachte Thaïs scherzhaft tadelnd. »Das Schlimmste ist, ihr schien das zu gefallen!«
»Oh Gott, wie peinlich«, meinte Roetgen kleinlaut. »Ich hätte nie gedacht, dass ich so was bringen würde, nicht mal im Vollsuff …«
»Mach dir nichts draus«, antwortete Thaïs liebevoll. »Ich hab mit ihr schon ganz andere Dinger erlebt, … was die sich schon alles geleistet hat! Ich hab versucht zu schlafen, aber das war vollkommen unmöglich; ihr habt mit eurer Gymnastik die ganze Hütte zum Wackeln gebracht, das reinste Erdbeben! Also hab ich gedacht, ich leg mich dazu und mache mit, aber da ist der Ast gebrochen …«
»Wir sind abgestürzt, übereinander … und du bist sofort eingeschlafen. Wir dachten schon, du bist ohnmächtig geworden, aber da hast du losgeschnarcht, wir haben uns fast totgelacht!«
»Also haben wir dich am Boden liegenlassen und uns in unsere Hängematte gelegt.«
»Du musst wohl ein bisschen mit der Cachaça aufpassen, Professor«, lachte Moéma. »Bei der Sonne hier …«
»Ich hätte vor allem etwas essen müssen«, argumentierte Roetgen. »Das muss der Grund sein, getrunken hab ich ja gar nicht so viel.«
»Na ja, vierzehn Caipirinhas …«
»Vierzehn?!«
»Aufs Glas genau. Da kannst du dich auf Seu Juju verlassen; er gibt zwar hin und wieder mal eins aus, aber von denen, die du selber bestellst, vergisst er kein einziges!«
Die Kleider unterm Arm, gingen sie dann zu Neosinha, die gegen eine Gebühr die Benutzung ihres Brunnens und einer für Waschungen vorgesehenen Hütte erlaubte. Roetgen war enttäuscht, das passte nicht zu der »ursprünglichen Gastfreundschaft« der Fischer, von der Moéma geschwärmt hatte. Außerdem hieß es mit einem Dutzend junger Leute Schlange stehen. Man kam sich vor wie in einem Ferienlager, dachte er, oder schlimmer noch, wie auf dem Campingplatz. Aber da Thaïs und Moéma sich rundum wohl zu fühlen schienen, behielt er seine Bemerkungen für sich.
Um Zeit zu sparen, wuschen sie sich gemeinsam, indem sie die alte Konservendose herumgehen ließen, mit der sie das Wasser aus dem Metallkanister schöpften, den einer von Neosinhas Söhnen gebracht hatte. Immer noch leicht beschwipst, überließ Roetgen sich dieser plötzlichen Nähe, als wäre es vollkommen normal, hier nackt und hautnah beisammen zu sein.
Moéma langbeinig, muskulöse Hinterbacken, schlank, animalisch, mit Knabenkörper und goldbrauner Scham; Thaïs mit schweren Brüsten, mehr als nur pummelig, aber genauso attraktiv mit dem üppigen schwarzen Dreieck, das die milchige Blässe ihres Bauches noch unterstrich …
Eine kindliche Neckerei im Bad; er sollte nie erfahren, ob er als Einziger die unterschwellige Perversion der Situation empfunden hatte.
Da Moéma vorschlug, sie sollten sich bei João zum Abendessen einladen, kauften sie ein paar Fische, Sodawasser und Brotfladen, wonach sie das Dorf wieder durchquerten. Der Himmel dunkelte. Vom Meer herkommender Wind trieb vor ihnen kleine Sandwirbel auf. Rechts und links des Gässchens flackerten Lichter in den dunklen Fensteröffnungen.
»Mist!«, rief Thaïs, »wir haben vergessen, eine
lampadinha
zu kaufen!«
Sie machten kehrt und erstanden einen Liter Lampenöl und eine Leuchte aus Weißblech, an der noch das rotgoldene Etikett einer Buttermarke prangte.
»Diese improvisierten Lampen werden aus leeren Konservendosen hergestellt«, erklärte Moéma, »jede fällt anders aus. Im Inland findet man manchmal wunderschöne, wirklich …«
Sie trafen João und seine Frau beide gelassen in ihren Hängematten baumelnd an; die Kinder saßen in einer Traube darunter und spielten. Maria begrüßte die kleine Gruppe stürmisch und stand rasch auf, um das Feuer in der Küche anzufachen. João kam bald darauf, mit verdrossener Miene: Einer seiner drei Mitfahrer auf der Jangada war krank, darum hatten sie die für den nächsten Tag geplante
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