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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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sind, nur unter anderem Namen. In China werden Kinder zu Ehren des Gottes Moloch verbrannt, wird Blut als grässliches Opfer vergossen, & jener obszöne Körperteil, den die Griechen
fallos
nannten, genießt ganz besondere Verehrung. Diese Barbaren des Orients verehren manche Tiere, als wären sie Gottheiten, & das Beispiel der Ägypter hat so großen Einfluss auf ihre Geister, dass diese ihre Lande mit ägyptisch anmutenden Idolen füllen … All diese Beispiele, wie Ihr sie vorhin anführtet, sind die Frucht der Idolatrie, das entsetzliche Produkt des Feindes der menschlichen Natur. Der Dämon ist der Affe Gottes, sein Schwanz schlängelt sich überall, wo der Geist diabolischer Perversion sich manifestiert. Zwar soll man nicht die Augen verhüllen angesichts der Zerrspiegel, die er uns fortwährend vorhält, doch sollten wir uns alle miteinander hüten, das darin Gesehene für Wirklichkeit zu halten, & sollten diese böse List anprangern, die auf geradem Wege zur ewigen Verdammnis führt …«
    Einmal mehr bewunderte ich die schlichte & ruhige Art, mit der mein Meister unsere Religion & deren heilige Prinzipien verteidigt hatte. Ich wagte nicht zu hoffen, selbst einmal zu solcher Seelenstärke zu gelangen, die in Wahrheit den Auserwählten Gottes vorbehalten ist.
    Dank Kirchers Rede hielten die Geister sich ein wenig zurück, doch vom Wein beflügelt, befreiten sie sich rasch erneut. Doch da das Essen seit langem beendet war, hob unser Gastgeber die Tafel auf, und man zerstreute sich in kleinen Grüppchen in den Salons, während die Diener den Tisch abdeckten.
    Fürstin Alexandra nötigte mich zu einem etwas abseits befindlichem Divan. Dort erörterten wir das Tischgespräch & äußerten nun in Worten die Empörung, die wir uns zuvor durch Gesten mitgeteilt, dann unterhielten wir uns wieder über Musik & Harmonien. Ich war nicht daran gewöhnt, so viel zu trinken, mein Geist war durcheinander, & so ist mir von diesem Gespräch nicht viel mehr im Gedächtnis geblieben als die Empfindung einer süßen Gemeinsamkeit & völliger Übereinstimmung unserer Ansichten. Etwas später, wir verglichen einmal mehr die Vorzüge von William Byrd & Gesualdo, äußerte die Fürstin den Wunsch, mir die Partitur einer Motette zu zeigen, die ich nicht kannte, und welche, so sagte sie, man nicht lesen konnte, ohne zugleich die wundersamste Musik zu vernehmen. So folgte ich ihr also eifrig in ein unweit gelegenes Nebengemach, in dem sie ihre Partituren verwahrte. Kaum waren wir darinnen, schloss sie die Tür doppelt ab, um uns vor unwillkommenen Störenfrieden zu bewahren. Ich stimmte dieser Handlung bei, geschmeichelt, dass sie mich solchermaßen ihren anderen Gästen vorzog. Sie fand die benamte Musik ohne Schwierigkeiten, & wir setzen uns nebeneinander.
    Die Partitur war in der Tat von außergewöhnlicher Schönheit & Glut, so sehr, dass ich leise vor mich hin summte, bezaubert von der hingerissenen Bewegung, die sie in mir verursachte. Nach einer kleinen Weile verspürte ich etwas wie eine Flamme auf meiner Wange, zu der Seite, an welcher sich die Fürstin befand. Ich sah zu ihr hin & verstummte: Es war ihr starrer Blick, strahlend, glutheiß, der meine Haut durchbohrte. Ohne diese erschröckliche Art abzulegen, mich mit Blicken zu verbrennen, führte sie langsam die Finger zu meinem Gesicht & liebkoste zitternd meine Lippen.
    »Caspar«, murmelte sie, »Caspar …«
    Ihr Atem ging ungleich, ihre Nüstern bebten, ihr Mund öffnete sich halb, als wollte sie sich auf diese Weise die Kehle befeuchten. Vermeinend, sie würde sogleich die Besinnung verlieren, erhob ich mich halb, um ihr beizustehen. Mit einer Handbewegung bedeutete sie mir, sie leide unter Atemnot, und bat mich, die Schnürung ihres Gewandes zu lockern. Da sie mir wirklich gleich zu ersticken schien, folgte ich dem Wunsche und machte mir ungeschickt mit den lästigen Bändern an ihrem Kleide zu schaffen, mit denen mir jede Gewohnheit fehlte. Kaum hatte ich ihre Korsage ein wenig gelockert, da öffnete sie sie selbst vollständig. Doch beließ sie es durchaus nicht mit dem, was Dezenz & die Behebung eines kleinen Unwohlseins geboten hätten, sondern öffnete ihre Kleidung mit fast wütend heftigen Bewegungen, bis sie mir ihre vollständig entblößte Brust darbot! Versteinert stand ich vor diesem Schauspiel. Noch nie hatte ich die Büste einer Frau gesehen, es sei denn die der Leichname, die mein Meister & ich sezierten, und mir schien, als hätte ich

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