Wo Tiger zu Hause sind
zusammengebissenen Zähnen und verzerrtem Gesicht versuchte der Geologe ein Lächeln:
»Sieht es übel aus?«
»Beeindruckend, mehr nicht. Kein Grund, die Nerven zu verlieren.«
Elaine hielt nach Mauro Ausschau. Endlich brachte er das Gewünschte.
»Da unten herrscht das reinste Chaos!« Er deutete auf sein durchnässtes Hosenbein. »Wasser bis an die Betten, ich muss Petersen Bescheid sagen …«
»Gut, mach das«, sage Elaine und öffnete die von Detlef in Brasilia vorbereitete Packtasche.
Wenn sie jetzt daran dachte, wie sie ihn belächelt hatte wegen der manischen Sorgfalt, mit der er packte …
Das Ding ist ja die reinste Büchse der Pandora! Wenn wir auch nur einen Bruchteil so viel Pech haben, wie du zu erwarten scheinst, dann schauen wir bei unserer Rückkehr ziemlich übel aus … Na, na, jetzt mal keinen Defätismus, hatte er gelacht. Gott ist groß, wie man in Brasilien sagt, aber der Dschungel ist noch größer! Ich erinnere dich daran, wenn es so weit ist! Dann wirst du dich freuen, zu finden, was du brauchst, und wenn es für einen Kratzer ist …
Sie wusste mehr oder weniger, was zu tun war; diese ganzen Erste-Hilfe-Übungen waren also doch zu etwas nutze gewesen. Hastig riss sie mehrere Packungen mit sterilen Kompressen auf, benetzte sie mit Desinfektionsmittel und beugte sich über die Wunde.
Reinigen, die Arterie finden, abklemmen, keine Nerven beschädigen …
Bei der ersten Berührung konnte Detlef einen Schrei nicht unterdrücken. Sie zog die Hand weg und sah ihn erschrocken an.
»Mach weiter«, brachte er keuchend hervor. »Kümmere dich nicht um mich …«
Elaine reinigte die Wunde, vor allem das Knie war voller Blut. Das Gelenk war zerschmettert, regelrecht zu Hundefutter geschossen.
Meu Deus! Das kann man im Leben nicht wieder zusammenflicken
… Leise fluchend hantierte sie weiter.
»Jetzt die Klemme.« Detlef zog eine Grimasse. »Das Ding, das aussieht wie eine Schere … Genau. So, und jetzt löse die Schlinge, dann siehst du, ob es genügt …«
Wieder trat das Blut stoßweise hervor.
»Als würde es von hinten kommen«, sagte sie und tupfte weg, so viel eben ging. »Ah, nein … da!«
Sie hatte eine Art rosa Schlauchende entdeckt, geringelt wie die Gurgel eines Hühnchens, aus dem das Blut pulsierte. Konzentriert schob sie eine Backe der Klemme unter die Arterie, achtete darauf, dass nichts dazwischengeriet, das wie ein Nerv aussah, dann drückte sie die Klemme zu, bis sie einrastete. Die Blutung erstarb.
Mauro kam genau in dem Moment dazu, als der Motor wieder auf volle Kraft geschaltet wurde.
»Herman setzt uns auf Grund!«, rief er ihnen zu.
»Hilf mir, sein Bein zu halten!«, bat sie ihn, nicht ohne den einigermaßen entsetzen Gesichtsausdruck ihres Studenten zu bemerken.
»Elaine …« Detlefs Stimme war schwach.
Sie neigte sich zu ihm hinunter, um besser zu hören.
»Hab ich dir schon mal gesagt, dass du schöne Brüste hast?«
Sie errötete bis an die Ohren und versuchte ungeschickt, ihre Bluse zusammenzuraffen. Mauro konnte die Augen nicht von ihrem Busen wenden, dämlich lächelnd wie ein Kind angesichts des Weihnachtsmanns.
Petersen wartete bis zum allerletzten Moment, dann kuppelte er aus. Der Schwung schob das Boot drei, vier Meter hoch auf die Sandbank, es kippte leicht nach Steuerbord und kam zur Ruhe.
»Na bitte, Meisterleistung!« Der alte Deutsche war stolz auf sein Werk. Dann machte er den Motor aus und schaltete die Wasserpumpen an: »Geh nach vorn«, sagte er zu Yurupig, »und schau, dass du die verdammten Lecks findest!«
Als er wieder aufs Oberdeck kam, hatte Elaine gerade Detlefs Wunde fertig versorgt.
»Wie sieht’s aus?«, fragte er.
»Gerade noch mal gutgegangen«, sagte sie kalt, »aber es war knapp …«
Sie holte eine Spritze aus der Verpackung, stieß die Kanüle durch den Gummiverschluss einer kleinen Phiole und zog den Inhalt auf. Da Detlef sämtlichen Inhalt der Erste-Hilfe-Tasche sorgfältig etikettiert hatte, mit Verwendungszweck und -weise, hatte sie mühelos gefunden, was sie suchte.
»Und Milton?«, fragte Detlef, als sie ihm das Morphium in den Arm spritzte.
»Tot«, sagte Petersen trocken, »ich hab gerade noch mal nachgeschaut.«
Elaine hielt inne, und schmerzerfülltes Schweigen senkte sich auf die kleine Gruppe. Schuldbewusst wurde ihnen plötzlich klar, dass sie Milton ganz vergessen hatten.
»Mauro, machst du bitte Wasser heiß? Ich muss das alles saubermachen. Und dann müssen wir ihn
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