Wo Tiger zu Hause sind
Strömung … Selbst wenn wir etwas zusammenzimmern, das mehr oder weniger schwimmt, flussaufwärts schaffen wir es nie.«
»Aber die werden sich doch irgendwann Sorgen machen«, beharrte Mauro, »und uns jemanden von Norden her schicken, aus Cáceres zum Beispiel oder sogar aus Cuiabá, oder?«
»Wer soll das bitte sein, ›die‹? Hier ist jeder auf sich gestellt. Meine Frau wird sich keine Gedanken machen, sie ist es gewohnt, dass ich ein paar Wochen am Stück geschäftlich unterwegs bin … Bis dahin sind wir alle längst verreckt.«
»Unsere Vorräte dürften aber für einige Zeit reichen«, warf Elaine ein, »und danach können wir uns immer noch mit Angeln oder sogar Jagen behelfen …«
»Oh, das ist überhaupt kein Problem, junge Frau. Wegen des Futters mache ich mir auch keine Sorgen, aber was ist mit Trinkwasser? Wenn die Kanister leer sind – und von denen sind auch viele leckgeschossen –, bleibt uns nur noch Flusswasser … Und dann können wir’s uns aussuchen, entweder verdursten oder am Durchfall krepieren. Macht keinen Unterschied.«
Elaine wusste genug über Tropenkrankheiten, um zu wissen, wie recht er damit hatte.
»Und durch den Dschungel, wie stehen die Chancen da?«
»Für Sie? Bei null. Das ist viel zu anstrengend, das halten Sie nicht durch … Und der da ebenso wenig«, meinte er mit einem Seitenblick auf Mauro. »Von Ihrem Kollegen ganz zu schweigen, so, wie der zugerichtet ist. Nein, Sie müssen alle drei hier warten, während ich mit Yurupig Hilfe hole. Die Gabelung des Flusses ist nicht so weit entfernt, drei, vier Tagesmärsche, vielleicht sogar weniger. Und wenn wir da mal sind, treibe ich auf jeden Fall wen auf, der Sie hier rausholt. Schlimmstenfalls müssen wir weiter bis nach Pôrto Aterradinho.«
Unter diesem Aspekt hatte Elaine ihre Situation noch nicht betrachtet, aber die Argumente schienen ihr vernünftig. Erleichtert, dass sie sich nicht in den Dschungel würde wagen müssen, wollte sie schon darauf eingehen, aber da begegnete ihr Blick dem von Yurupig: Der Indio stand etwas hinter Petersen, und ohne dass ein Muskel in seinem Gesicht zuckte, zeigte er ihr mit einer sekundenkurzen Kopfbewegung, dass sie das keinesfalls tun sollte.
»Du misch dich da nicht ein, ich warne dich!« Herman drehte sich halb zu ihm um. »Also wie nun«, fragte er Elaine, »was halten Sie davon?«
»Ich will das nicht allein entscheiden, sondern mit Detlef besprechen, wenn er wieder bei Bewusstsein ist. Und Mauro hat da auch mitzureden.«
»Ganz wie Sie wollen.« Petersen schaute misstrauisch. »Aber viel zu überlegen gibt es da nicht, lassen Sie sich das gesagt sein. Wie auch immer, ich haue morgen früh ab.«
»Sie werden genau das tun, was wir Ihnen sagen, sonst gar nichts«, sagte Elaine entschlossen. »Dafür haben wir Sie bezahlt, und zwar nicht zu knapp, wenn ich es recht sehe.«
Petersens Augen funkelten zornig, aber er lachte nur kurz stumm, als sähe er vor seinem inneren Auge eine ausgesprochen amüsante Fortsetzung dieser Diskussion:
»Ich esse was Kleines und haue mich aufs Ohr. Und Sie täten gut daran, dasselbe zu tun, Senhora … Übrigens, Miltons Sachen habe ich in Ihren Schrank getan.«
»Was für Sachen?«
»Na, die er anhatte. Ich habe sie ins Wasser geworfen, ihn und den anderen Idioten. Hygienische Gründe, Sie verstehen …«
Verwesung, Gestank, Kaimane und Piranhas, die sich über einen nackten Körper hermachen …
Ein Schauder des Ekels lief ihr über den Rücken.
»Wie konnten Sie nur!«, explodierte sie. »Wer hat Ihnen das erlaubt?«
»Aber niemand, junge Frau«, antwortet Petersen gespielt liebenswürdig, als spräche er mit einer Geisteskranken. »Niemand, glauben Sie mir …«
Aus Eléazards Notizen.
KIRCHER ist ein übler Manipulator. Er bastelt so lange an den Tatsachen herum, bis sie in seinem Sinne schlüssig wirken. Sein gutes Gewissen ist unerschütterlich. Verbreitung des Glaubens, Propaganda, Geschichtsklitterung usw.; nichts weiter Neues dabei. Die unverbrüchliche Gewissheit, im Recht zu sein, ist immer ein Zeichen für eine geheime Berufung zum Faschismus.
SOLEDADE gefragt, ob sie freundlicherweise in der Bibliothek die Regale abstauben könnte: kategorische Weigerung. Auch wenn sie tot ist, fürchtet sie sich viel zu sehr vor der Vogelspinne, die ich aus Quixadá mitgebracht habe.
VON LOREDANA ERZÄHLT : Ein junger Italiener, zu Besuch in London, wird nach einem reichlich feuchtfröhlichen Abend nach Hause
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