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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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mehr für alles, was aus diesen fernen Landen zu ihm gelangte.
    Mit nunmehr acht & dreißig Jahren schien er auf dem Gipfel seiner Fähigkeiten angelangt. Er arbeitete an mehreren Büchern zugleich, widmete sich verschiedenen Gegenständen, forschte in sämtlichen Disziplinen des menschlichen Wissens, ohne dabei den Unterricht in Mathematik & orientalischen Sprachen oder die praktische Nutzanwendung seiner Entdeckungen zu vernachlässigen. Zugleich Professor, Astronom, Physiker, Geologe & Geograph, Sprachenkundler, Archäologe, Ägyptologe, Theologe usw., war er der obligatorische Gesprächspartner aller großen Geister seiner Zeit, & niemand kam nach Rom, der nicht um eine Audienz bei ihm ersuchte.
    Der Bruder Pförtner also erklomm ohne Unterlass die Treppen des Collegiums bis zu Kirchers Arbeitskammer, um ihm diesen oder jenen Besucher zu melden. Da jener Bruder recht alt & hinfällig war, ersann Kircher eine Vorrichtung, die ihn dieser Mühen entheben sollte. Er ließ von der Pforte bis zu seinem Schreibtisch sechs Stockwerke darüber kupferne Rohre anbringen, an deren jedem Ende ein Trichter aus demselben Metall die Stimmen verstärkte. Ein Strick, der in den Rohren verlief & den der Pförtner nach Belieben ziehen konnte, betätigte einen javanesischen Gong in der Nähe des Ortes, wo mein Meister sich aufzuhalten pflegte, & beschied ihm so, dass der Pförtner ihn zu sprechen begehrte. Diese Erfindung funktionierte ganz ausgezeichnet, & der Pförtner dankte Athanasius tausendmal für seine Freundlichkeit. Man musste ihn allerdings mehrfach ermahnen, denn er fand allzu viel Vergnügen daran, diese Maschine aus nichtigem Anlass zu bedienen, wodurch er Kircher bei seinen Studien störte.
    Im Jahre des Herrn 1641 erschien
Magnes, sive de Arte Magnetica
, ein Buch von neunhundert & sechzehn Seiten, in dem Kircher die in der 1631 zu Würzburg publizierten
Ars Magnesia
gestellten Fragen wieder aufgriff & um viele weitere vermehrte, womit er den Gegenstand erschöpfend behandelte. Diese zwischen Wesen & Dingen so deutlich sichtbare Anziehung, der geheimnisvollen Kraft des Magnetsteins so ähnlich, führte Kircher nunmehr auf den universellen Magnetismus zurück. Wieder einmal erwies sich die Analogie als wertvolles Mittel; die sympathetische Kraft, die eine Kompassnadel nach Norden ausrichtet, war nichts als diejenige, ungleich größere, die den Mikro- mit dem Makrokosmos verband, genau, wie es der ägyptische Hermes in fernen Zeiten festgestellt. Die Anziehung oder unwiderstehliche Abstoßung zwischen einem Mann & einer Frau, die Kraft, welche die Biene zur Blüte führt & die Sonnenblume sich nach dem Gestirn drehen lässt, in all diesem offenbart sich ein & dasselbe Phänomen, das auf Erden & im Himmel wirkt: die Macht Gottes, jenes absoluten Magneten das Universums.
    »Die Welt«, erklärte mein Meister, »wird von geheimen Banden zusammengehalten, & eines davon ist der universelle Magnetismus, der die Beziehungen zwischen den Menschen ebenso regiert wie diejenigen zwischen Pflanzen, Tieren, Sonne & Mond. Sogar die Mineralien unterliegen dieser verborgenen Kraft …«
    In diesem Buche beschrieb Kircher auch sein »magnetisches Orakel«, das er für den Heiligen Vater erdacht & bereits im Vorwege hatte erbauen lassen, so dass er ihm das Ding zugleich mit dessen Beschreibung schenken konnte. Ich wohnte der ersten Erprobung dieser kuriosen Maschine bei, in Gegenwart des Kardinals Barberini, den mein Meister hinzugezogen hatte, auf dass er beurteile, ob ein solches Geschenk geeignet sei.
    Man stelle sich also einen sechseckigen Tisch vor, in dessen Zentrum die Reproduktion eines ägyptischen Obelisken thront, welcher in seinem Innern einen starken Magnetstein enthält. Um den Obelisken herum war an jeder Seite des Tisches je eine große Kugel aus Kristallglas angebracht, darin aus Wachs geschnitzte Engelchen an einem Faden frei hingen. Zwischen diesen sechs Kugeln befanden sich zwölf weitere, kleinere, in derselben Weise konstruierte, in denen jedoch mythologische Tiere aufgehängt waren. Diese achtzehn Figürchen bargen in sich ebenfalls Magneten & richteten sich zueinander aus, je nachdem es der Zentralstein regelte. Nun waren auf den großen Kugeln verschiedene Systeme aufgemalt, so das lateinische Alphabet, der Tierkreis, die Elemente, Winde & deren Richtungen. Ein vorn am Tisch angebrachter Hebel erlaubte es, den im Obelisken verborgenen Magneten mehr oder weniger zu drehen, was das

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