Wo Tiger zu Hause sind
ähnlichen Stein derart passende Ersatzstücke, dass sie sich auf wundersame Weise in die vorgesehenen Stellen fügten.
Eingeladen, das Ergebnis dieser Bemühungen zu studieren, begeisterte sich Kircher ob der Künste Berninis. Zu keiner Zeit noch habe man derart vollkommene Arbeit gesehen! Nun galt es nur noch, die fehlenden Hieroglyphen zu ergänzen: Jene, die von den in unserem Besitz befindlichen Bruchstücken zu kopieren waren & die wir nur hätten einsetzen können, indem wir der Schönheit des Ganzen Abbruch getan hätten, & jene, immerhin weniger zahlreichen, die Athanasius neu zu schreiben unternommen hatte. Diese Aufgabe ward dem Bildhauer Marco Antonio Canino übertragen & im Jahre 1645 vollendet; zur völligen Vernichtung von Kirchers Verleumdern, denn die von ihm entworfenen Symbole entsprachen haargenau den Originalen, die sie ihm vorenthalten hatten! So mussten sie aus der Not eine Tugend machen und eingestehen, dass mein Meister, vom Heiligen Geist geleitet, tatsächlich den Schlüssel zu dieser geheimnisvollen Sprache gefunden hatte.
Das Jahr 1646 dann sah die Veröffentlichung von
Ars Magna Lucis & Umbræ
. Dieser schwere Foliant von neunhundertfünfunddreißig Seiten war dem Gönner Kirchers, Johann Friedrich Graf Wallenstein, Erzbischof von Prag, gewidmet.
Hierin beschreibt Kircher zunächst die Sonne als erste Lichtquelle, ohne die Frage des schlechten Einflusses jener Flecken auszulassen, die manchmal an ihrer Oberfläche zu sehen sind. Als Beispiel dient ihm die Invasion der schwedischen Truppen im Jahre 1625 , doch auch der Tod des Ming-Kaisers oder von Ludwig XIII . sowie weitere Katastrophen, die zugleich mit einer Vermehrung dieser Flecken auftraten.
Wohernach mein Meister den Mond analysiert, jene zweite Lichtquelle der Welt, wiewohl nur eines Reflektors des Sonnenlichtes. Es folgen zahlreiche Seiten über die Himmelskörper, auf denen er erstmals ein Bild des Jupiters & der Ringe des Saturns gibt, & sich sodann der Untersuchung der Farben zuwendet: Durchquert das reine Licht ein Prisma oder Regentropfen, so schreibt er, zerlegt dieser Kontakt das Licht, so dass Gelb, Rot & Violett zu sehen sind, nämlich die Anteile des Weiß, welches die eigentliche Farbe des Lichtes ist, so wie Schwarz die Farbe seines Fehlens.
In diesem Zusammenhang dissertiert mein Meister lang über das Chamäleon & dessen Gabe, sich farblich seiner Umgebung anzupassen. Auch fügt er einige Bemerkungen über den Kraken & anderes Meeresgetier bei, das über dieselbe Fähigkeit verfügt, um sodann ein sehr merkwürdiges mexikanisches Holz zu untersuchen, das ihm Padre Alejandro Fabián gesandt hatte. Nachdem er auf Fabiáns Anraten hin eine kleine Schüssel aus diesem »Tlapazatli« genannten Holze hatte schnitzen lassen, befüllte er diese in meinem Beisein mit klarem Wasser. Bald & ohne jeden Grund für diese Metamorphose – denn das Holz war so klar und sauber wie das des Kirschbaums – begann sich das Wasser bläulich zu verfärben, bis hin zu einer großartig purpurnen Tönung. Auch zu Pulver vermahlen hatte dieses Holz dieselbe Wirkung, obgleich sie sich im Laufe der Zeit verlor. Kircher hatte das Schüsselchen sodann Kaiser Ferdinand III . von Habsburg geschenkt, der es als einen seiner kostbarsten Schätze in Ehren hielt.
Sodann wendet sich das Buch der inneren Struktur des Auges & des menschlichen Sehvermögens zu & stellt dar, wie alles in Imitation der
Camera obscura
funktioniere, welche in Sizilien zu meinem Unglück erprobt worden. Um sich davon zu überzeugen, so schreibt Kircher, genüge es, das Auge eines Ochsen zu nehmen – oder auch ein menschliches, sollte man Gelegenheit dazu haben –, die kristallklare Flüssigkeit abzulassen & es dann
ad hoc
an den Ort und die Stelle einer künstlichen Linse zu platzieren. Das draußen Sichtbare erscheine sodann in der Dunkelkammer so präzise wie auf den besten Malereien.
Zum Thema der Anamorphose lehrt er hier, wie eine Zeichnung auf mathematischem Wege dergestalt verformt werden kann, dass sie auf den ersten Blick monströs aussieht, jedoch in einem zylindrischen Spiegel gesehen ganz fehlerfrei erscheint. Ebenso erläutert er, wie in Gärten & Parks Bäume, Pflanzen & Weinreben sowie Pavillons so angeordnet werden können, dass sie unter einem ganz bestimmten Blickwinkel Abbilder von Menschen oder Drachen zeigen & in jeder anderen Perspektive aber nicht.
Nach einem Kapitel, in dem Athanasius vollständige Tafeln der
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