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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Wärme dieser Passion vermag es, den männlichen und den weiblichen Samen untrennbar zu verschmelzen & im letzten Stadium des Hohen Werkes den Stein entstehen zu lassen. Dies ist der ganze Grund meiner Verzweiflung …«
    Wieder brach Mei-Li in Tränen aus, und Sinibaldus hatte seine liebe Mühe, ihr zwischen den Schluchzern noch einige letzte Sätze zu entlocken:
    »Ich schätze meinen Mann sehr, ich empfinde für ihn tiefe Freundschaft & Dankbarkeit, aber … ich liebe ihn nicht. Dieses Brennen, diese Neigung, die ich bislang nicht kannte, die … die empfinde ich für Euch, edler Herr … Zu meinem Unglück, zu Eurem und dem meines Mannes muss ich erkennen, dass Ihr weit davon entfernt seid, diese Empfindung zu teilen, & dass nichts unserem gemeinsamen Traum zur Erfüllung verhelfen kann. Um Euretwillen weinte ich, denn ich dachte an Eure Enttäuschung nach so vielen Hoffnungen & Illusionen, & ich selbst werde dieses Unglück nicht überleben …«
    War Sinibaldus bisher nur verliebt, so geriet er bei dieser Erklärung schier außer sich. Sie bereitete ihm nicht nur ein unerhofftes Glück, sondern garantierte zudem das Gelingen des Hohen Werkes. Er ließ alle Vernunft fahren, vergaß Gattin & Kinder, überdeckte Mei-Li mit Küssen, lachte & weinte zugleich & schwor ihr in den höchsten Worten seine seit Monaten brennende geheime Liebe. Er habe nie jemand anderen geliebt denn sie, es sei, als hätte die Göttin Isis endlich ihren Osiris gefunden, & sie durften nicht mehr daran zweifeln, dass Gottes Segen mit ihnen war.
    Die Betrügerin heuchelte Erstaunen, sodann maßlose Leidenschaft, & hier, auf den Bodenplatten, ergingen sie sich alsbald im ruchlosen Liebesspiel.
    Während der beiden Wochen, die sie im Labor eingeschlossen blieben, kam der Fluss ihrer Ausschweifung nicht mehr zum Erliegen. Mei-Li fing die schändliche Flüssigkeit in einem Porzellangefäß auf, goss sie dann ins Innere kleiner Wachsfigürchen, die sie beide selbst formten & welche verschiedene chinesische Götter, jedoch auch Christus & die Apostel verkörpern sollten. Diese lästerlichen Götzenbilder warfen sie sodann unter allerlei Zeremonien in den Tiegel & setzten ihre Orgie fort. Geblendet von Leidenschaft & Stolz, willfuhr Sinibaldus ihr in allem, ohne zu bemerken, in welchen Abgrund er sich auf diese Weise begab.
    Zum vierzehn Tage vorher festgesetzten Zeitpunkt kehrte Salomon Blauenstein aus seiner angeblichen Klausur zurück. Sinibaldus, der kurz davor auf sein Zimmer gegangen war, um keinen Verdacht zu erregen, kam herunter, ihn zu empfangen. Er war überrascht von der Blässe des Alchimisten & den zahlreichen Anzeichen der Entbehrung, die er auf dessen Gesicht erkannte. Blauenstein seinerseits (der die gesamte Zeit in einem Bordell im Stadtteil Trastevere verbracht hatte) erkannte dieselben Zeichen der Ermattung im Antlitz seines Gastgebers, wenn auch, ohne in deren wahrer Herkunft getäuscht zu sein; jetzt nämlich war er gewiss, dass seine Intrige gelingen würde. Beide gratulierten einander wärmstens, & nachdem der Alchimist so getan hatte, als glaube er an die strikte Befolgung seiner Anweisungen, begaben sie sich ins Labor.

Canoa Quebrada
    Und der Krieg war für ihn wie ein Fest.
    Zu Anfang existierte die Welt nicht. Weder Licht noch Dunkel, noch etwas an dessen Stelle. Doch gab es sechs unsichtbare Dinge: kleine Bänke, Topfgestelle, Kalebassen, Maniok, das Ipadu-Blatt, das einen träumen lässt, wenn man es kaut, und Tabakrollen. Aus diesen Dingen, die im Leeren schwebten, ohne zu existieren, erschuf eine Frau sich selbst und erschien reich geschmückt in ihrer Wohnung aus Quarz. Yebá Beló war ihr Name, die Urmutter, jene, die nicht gezeugt ward … Sie sagte einmal »Puh!« und begann die Welt zu denken, so, wie sie sein sollte. Und während sie dachte, kaute sie Ipadu und rauchte eine magische Zigarre …
    Als Aynoré, der Indio, sie aus Zefas
Forró
gezogen hatte, machte Moéma sich nicht die geringste Illusion, was mit ihnen in dieser Nacht passieren würde. Verwirrt, weil sie Roetgen nicht sah, suchte sie ihn kurz in der Menge. Nicht, weil sie sich verpflichtet gefühlt hätte, sich bei ihm abzumelden, aber sie hatte ihm den Ort unbedingt zeigen wollen, und ihr war nicht ganz wohl dabei, ihn so einfach in einer Welt zurückzulassen, in der er sich noch nicht zurechtfand. Mit Thaïs war es einfacher und heikler zugleich: Ihre Beziehung beinhaltete vollkommene sexuelle Freizügigkeit, Moéma war

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