Wo Tiger zu Hause sind
Kircher zu sehen. Mein Meister, mit dem ich gerade an der Verfertigung eines Apparates arbeitete, welcher späterhin einigen Ruhm erlangen sollte, legte ein wenig Verdrossenheit an den Tag, dass dieser Eindringling ihn stören wollte, doch begrüßte er ihn mit gewohnter Höflichkeit.
»Oh Freude! Oh Glück!«, rief Sinibaldus aus, als er Kircher erblickte, »ich habe das sophische Ammoniaksalz geschaut! Mit eigenen Augen! Es ist unglaublich … Dieser Mann ist ein wirkliches & wahrhaftiges Genie, ein erhabener Geist!«
»Nun, nun«, beschwichtigte ihn Athanasius, der ein klein wenig amüsierte Ironie nicht unterdrücken konnte. »Fasst Euch, mein Freund, und berichtet von vorn: Wer ist die Person, die Ihr mit solchen Lobesworten bedenkt?«
»Gewiss, verzeiht meine Verwirrung«, Sinibaldus schob sich zerstreut die Perücke zurecht, »doch wenn Ihr hört, was mich zu Euch führt, werdet Ihr, da bin ich gewiss, meine Aufregung besser verstehen. Dieser Mann heißt Salomon Blauenstein, die ganze Stadt spricht schon von nichts anderem mehr, denn er macht mit der größten Leichtigkeit Gold aus Antimon, & das sagt viel über sein Wissen & seine Fertigkeiten.«
Er senkte die Stimme, warf einen raschen Blick über seine Schulter & flüsterte:
»Er sagt, er sei imstande, den Stein der Weisen herzustellen, es sei nur eine Frage der Zeit & der rechten Technik. Ich sehe mich veranlasst, ihm zu glauben, nach dem, was ich gesehen habe … Seine ganze Persönlichkeit atmet Heiligkeit. Ein wahrhafter Weiser; es ist offenkundig, dass es ihm nicht um Reichtum geht & nicht um Ruhm: Ich musste ihn mehrere Tage lang mit Bitten bedrängen, bis er geruhte, mir sein Künste vorzuführen, doch widerwillig, als erniedrige er sich zu einer seiner Talente unwürdigen Handlung.«
»Hmm … Ihr kennt meine Meinung zu diesem Thema & werdet mir einige Zweifel über die tatsächlichen Fähigkeiten Ihres … wie war der Name? … nachsehen …«
Wie wir sehr viel später erfuhren, war Sinibaldus empört ob der Haltung meines Meisters. Er begriff nicht, wie man ein derartiges Misstrauen hegen konnte, ohne sich der Mühe zu unterziehen, die Dinge wenigstens zu prüfen. Kaum hatte er das Collegium verlassen, da setzte er sich in den Kopf, meinem Meister seine Verblendung nachzuweisen. Hierzu begab er sich sogleich zu dem genannten Blauenstein & überredete ihn – nicht ohne Mühe, denn der Mann ließ sich bitten –, bei ihm zu wohnen. Er stelle ihm sein gesamtes Vermögen & sein Labor zur Verfügung, wenn er bereit sei, ihn die Herstellung dieses Steines oder Verwandlungspulvers zu lehren, dessen einfache Berührung, er hatte es selbst
de visu
beobachtet, den geringsten Stoff zu Gold machen konnte.
Blauenstein hatte eine junge Chinesin namens Mei-Li zur Frau, deren geheimnisvolle Schönheit & orientalische Schweigsamkeit dazu beitrugen, dem Alchimisten allerlei ungeahnte Fertigkeiten zuzutrauen. Diese Mei-Li, sagte Blauenstein – der über die Umstände, unter denen er ihr auf einer seiner Reisen nach China begegnet war, große Diskretion walten ließ –, sei die Schwester des »Großen Kaiserlichen, für die Heilmittelkammer verantwortlichen Arztes«, welcher in der Alchimie bewandert sei & ihn mancherlei Geheimnisse aus alten Büchern gelehrt habe. Wer seiner Eitelkeit hinreichend schmeichelte, dem geruhte Blauenstein, wenn auch nicht ohne allerlei Umstände & Vorsichtsmaßnahmen, einen Stapel Hefte zu zeigen, mit chinesischen Schriftzeichen vollgekritzelt, von denen er ohne große Gefahr des Widerspruchs behauptete, sie enthielten die Gesamtheit des alchimistischen Wissens.
Dies merkwürdige Paar bezog also mit Hab & Gut eine luxuriöse Wohnung, die ihm Sieur Sinibaldus in seinem Palast einräumte. Bereits anderntags ließ Blauenstein einen neuen Athanor für das Labor bauen, da der alte nicht konvenierte, & eine Vielzahl höchst seltener & kostbarster Ingredienzien bestellen, die im langen Prozess der Herstellung des Höchsten Werkes Verwendung finden sollten.
Da Sinibaldus gestand, er kenne diese Stoffe nicht und wisse nicht, wie sie beschaffen, übernahm Blauenstein es selbst, sie zu besorgen, & dies zu einem günstigeren Preis, einzig aus Freundschaft zu seinem Gastgeber. Dies bereitete dem Geldbeutel des braven Bürgers einen beträchtlichen Aderlass, doch bestand der Alchimist – trotz der vehementen Vertrauensbekundungen seines Gastgebers – darauf, ihm sämtliche Rechnungen vorzulegen.
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