Wo Tiger zu Hause sind
bei Ihnen, und wir schicken Yurupig vor. Er kennt sich hervorragend aus, er ist drei-, viermal schneller beim Fluss als wir. Wir folgen ihm so lange im eigenen Rhythmus. Wenn er den Weg markiert, kann er uns die Umwege ersparen, die er selbst machen musste, so brauchen wir weniger Zeit, und es ist weniger anstrengend. Er kann uns dann mit Hilfe entgegenkommen.«
Das wirkte so logisch und überzeugend, dass keiner widersprach; nicht einmal Mauro konnte einen Haken daran finden.
»Was meinst du, Yurupig?«, fragte Detlef.
Der Indio blickte Petersen an und legte den Kopf schräg, wie um ihn noch genauer zu mustern:
»Ich bin einverstanden. Aber Vorsicht: Will die Schlange der Ratte helfen, dann um sie leichter fressen zu können …«
»Was muss man sich alles anhören! Du kannst mich wirklich nicht riechen, was?«
»Gut, dann machen wir es so«, sagte Detlef, nachdem er Mauro und Elaine mit Blicken befragt hatte. »Wir geben dir den Kompass mit, den brauchen wir dann ja nicht mehr. Kennst du dich damit aus?«
Yurupig bejahte, indem er die Augen schloss.
»Markierungen in den Stämmen, um den Weg anzuzeigen, Kreuze, wo wir nicht langgehen sollen. Geht das?«
»Im Dschungel entscheiden die Jaguare, was geht und was nicht.«
Früh am nächsten Morgen packten Elaine und Mauro Yurupig ein paar Sachen ein. Seinen Anteil an den Vorräten, den Kompass, ein Benzinfeuerzeug, ein Fläschchen Alkohol und eine Dosis Gegengift für Schlangenbisse. Als es so weit war, nahm der Indio eine der drei Macheten und drehte sich noch einmal zu ihnen um:
»Keine Eile«, sagte er. »Ich komme euch entgegen.«
Weitere Abschiedsformalitäten entfielen, er winkte noch einmal kurz und trabte los. Detlef hatte beschlossen, ihm zwei Stunden Vorsprung zu gegen, so dass sie sich beim Frühstück nach seinem Aufbruch Zeit lassen konnten.
Als sie sich wieder auf den Weg machten, übernahm Elaine die Führung, und die Schnitzeljagd konnte beginnen. Frische, milchig glänzende Einschnitte zeigten den Weg an, der leicht zu finden war, so viele Markierungen hatte Yurupig gesetzt. Allein dass sie nicht ständig zu beratschlagen brauchten, wohin sie sich wenden sollten, sparte ihnen ungeheuer viel Zeit. Nach zwei Stunden übernahm Elaine Petersens Platz an der Trage. Detlef schien etwas zu Kräften zu kommen, und Mauro gab ihm die Kalaschnikow, die ihm beim Tragen hinderlich war.
Der Tag verlief ohne nennenswerten Zwischenfall, und abends saßen sie ein weiteres Mal um ein Feuer zusammen. Nach allem, was sie beurteilen konnten, waren sie zwei- bis dreimal schneller vorangekommen als sonst, dafür aber auch erschöpfter. Vor allem Elaine spürte es. Sie war ganz steif vor Muskelkater und musste sich geradezu zwingen, etwas zu essen und noch sitzen zu bleiben.
»Meine letzten.« Mauro wechselte gerade die Batterien seines Walkmans. »Jetzt muss ich auch noch die Musik rationieren.« Sein Gesicht war hager wie das eines Langstreckenläufers nach einer Anstrengung, aber er hielt ziemlich gut durch. »Wenn ich mir vorstelle, dass die Uni in drei Tagen wieder losgeht! Die werden Gesichter machen …«
»Das kann man wohl sagen«, bestätigte Detlef. »Vor fünf Jahren bin ich einmal knapp zwei Stunden vor meiner ersten Vorlesung von einer Expedition zurückgekommen. Es war einfach alles schiefgegangen, das Flugzeug hatte nicht rechtzeitig starten können, dann gab es einen Autounfall und Ärger beim Zoll … Als ich im Hörsaal ankam, erklärte Milton den Studenten gerade, ich sei nicht erschienen … Er sah aus, als würde er jeden Moment einen Schlaganfall bekommen!«
Die Erinnerung daran, was aus Milton geworden war, ließ ihn traurig lächeln.
»Der Ärmste«, meinte Mauro. »Ich hab ihn nicht leiden können, aber trotzdem … was für eine Gestalt.«
»Was für ein Arschloch, willst du wohl sagen«, warf Elaine müde ein. »Wenn du wüsstest, was der uns für Schwierigkeiten gemacht hat. Dass er tot ist, ändert nichts daran.«
»Das stimmt zwar«, wandte Detlef ein, »aber wenn man alle Arschlöcher, Inkompetente und Idioten umbringen wollte … würden wohl nicht mehr viele Menschen auf Erden übrig bleiben.«
»Das ist mal ein wahrer Satz, Amigo!« Petersen hatte sogar aufgehört zu pfeifen.
»Sie scheinen ja überhaupt nicht erschöpft zu sein …« Elaine wunderte sich über die Energie des Deutschen.
»Gewohnheitssache«, antwortete er, nachdem er geräuschvoll die Nase hochgezogen hatte.
»Haben Sie sich erkältet?«,
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