Wo Tiger zu Hause sind
fragte Elaine. »Ich müsste da noch was haben …«
»Nicht nötig.«
»Ich wollte noch sagen …«, setzte Mauro an. »Ich war etwas hart mit meinem Urteil über Sie. Und es war eine gute Idee, Yurupig vorzuschicken.«
Petersen wedelte mit der Hand zum Zeichen, er könne sich weitere Entschuldigungen sparen.
»Sie vertrauen ihm, trotz allem, was Sie sagen, oder?«, fragte Mauro.
»Kein bisschen. Er macht das für Sie, nicht für mich. Darum wird er auch zurückkommen. Mich würde er ohne Gewissensbisse krepieren lassen. Ich ihn ja auch. Ganz normal so.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das wirklich ernst meinen.« Detlef klang ein wenig vorwurfsvoll. »Ganz allein kann man nicht leben, das wissen Sie genauso gut wie wir …«
»Leben? Dass ich nicht lache. Es geht ums
Über
leben, alles andere ist Geschwätz. Darum bin ich auch lieber an meiner Stelle als an Ihrer.«
In der folgenden Stille spürten sie, dass die feuchte Luft an ihnen klebte wie eine warme Decke. Die Mücken umsirrten sie frenetisch.
»Besser, wir machen die Hängematten fertig, bevor der Regen kommt«, sagte Mauro.
Als sie am nächsten Morgen aus den Hängematten krochen, fühlten sie sich noch zerschlagener als am Abend zuvor. Während Petersen und Mauro sich bemühten, ein Feuer anzuzünden, wollte Elaine Frühstück machen. Sie durchwühlte die Rucksäcke, fand aber nicht denjenigen, in dem die Töpfe waren. Sie drehte sich zu den beiden Männern um, dann sagte sie ernst:
»Ein Rucksack ist weg.«
»Sind Sie sicher?«, fragte Mauro und suchte mit Blicken den Ort ab, an dem sie abends das Gepäck zusammengestellt hatten. »Das ist doch nicht möglich, irgendwo muss er doch sein … Ob ein Affe ihn gestohlen hat?«, fragte er, als er feststellen musste, dass tatsächlich ein Rucksack weniger da war.
»Nachts machen die Affen dasselbe wie wir«, meinte Petersen: »Sie schlafen, oder sie versuchen es wenigstens … Was war da drin?«
»Kaffee, die Becher, der Schleifstein …« Elaine versuchte, sich den Inhalt vor Augen zu führen. »Ein paar Konservendosen … Mauro, es war deiner.«
»Die Fossilienproben«, fuhr er fort, »das Besteck … Mehr fällt mir jetzt nicht ein. Wir müssen hier ringsum suchen.«
»Tu das, wenn es dir Spaß macht«, meinte Petersen blasiert, »aber denk nicht, du hättest die geringste Chance, irgendwas zu finden.«
Dennoch durchsuchte Mauro den umliegenden Dschungel, während Herman auf Knien behutsam in die übrige Glut blies.
»Ich kann’s nicht glauben!« Mauro kam mit leeren Händen zurück. »Was für ein Viech kann sich denn für unsere Becher interessieren?«
»Wenn nichts zu essen drin war«, Petersen grimassierte in den Rauch, »dann war es kein Tier.«
»Was denn sonst?«, fragte Mauro zweifelnd. »Außer uns ist niemand in diesem verfluchten Dschungel …«
»Vergiss Yurupig nicht, Kleiner …«
»Yurupig!«, rief Elaine, »der hat doch was Besseres zu tun, als zurückzukommen, um uns zu bestehlen. Was soll der mit einem Rucksack voller Geschirr?«
Petersen zuckte mit den Schultern: »Man kann nie wissen, was im Kopf von so einem Indio vorgeht. Aber egal, wir müssen uns irgendwie anders behelfen, wenn wir etwas Heißes trinken wollen.«
»Nehmt einfach eine leere Konservendose«, ertönte Detlefs Stimme irritiert. »Und helft mir hier raus, ich bin völlig steif.«
Auf den ersten Blick erkannte Elaine, dass sich sein Zustand verschlechtert hatte. Er schwitzte wieder stark und war zu jeder körperlichen Mithilfe unfähig, als sie ihn auf die Trage hinüberhoben. Außerdem stank er bestialisch nach Urin.
»Ich werd mal den Verband erneuern«, sagte Elaine. »Scheint dir heute früh nicht so besonders zu gehen … uns aber auch nicht, das kannst du mir glauben! Hast du das mit dem Rucksack gehört? Was hältst du davon?«
»Nicht viel. Aber ich glaube nicht, dass es Yurupig war. Wenn der uns in Schwierigkeiten bringen wollte, könnte er es leichter haben. Wie auch immer, wir müssen damit klarkommen.«
Er betrachtete sein Bein, während Elaine den Stumpf behutsam reinigte:
»Ich glaube, der Wundbrand sitzt noch drin.«
»Nein, nein«, log sie, »das ist eine normale Reaktion nach all dem, was du mitgemacht hast.«
»Elaine«, sagte er halblaut, »wenn ich nicht durchkommen sollte …«
»Ach hör doch mit dem Unfug auf, bitte!«
»Ich bin kein kleines Kind, red nicht so mit mir. Für den Fall, dass ich tatsächlich nicht durchkomme, sollst du
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